Ein Startblock im Hallenbad

Die Einsatzfelder für private Sicherheits-Dienstleister

Zum Auftakt der vierundfünfzigsten Runde stellen wir die Frage: „Entwickelt sich unsere Gesellschaft in Sachen Gewalt in eine Richtung, die das Wachstum des Sicherheitsgewerbes fördert?“

Im Interview mit:

Eine kurze Einleitung:

Nun stehen also die Schwimmbäder im Fokus. Die Einsatzmöglichkeiten für private Sicherheitsdienstleister erleben eine rasante Expansion. Ursprünglich waren es Krankenhäuser, dann Flüchtlingsunterkünfte und Volksfeste, die verstärkt Schutz benötigten. Jetzt sind Auseinandersetzungen in Freibädern an der Tagesordnung – zumindest in einigen Bundesländern –, was den Appell nach verstärktem Einsatz von Polizei und privaten Sicherheitskräften immer lauter werden lässt.

In Hessen beispielsweise mögen Schwimmbäder zwar nicht als Kriminalitätsschwerpunkt gelten. Dennoch nehmen einige Bäder präventiv Sicherheitsdienste in Anspruch, besonders wenn eine hohe Besucherzahl erwartet wird. Städte wie Offenbach, Fulda, Kassel, Darmstadt und Wiesbaden sind hierbei exemplarisch zu nennen. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Saarland, in Berlin und Nordrhein-Westfalen.

Ein sarkastischer Blick in die Zukunft drängt sich auf: Entwickelt sich unsere Gesellschaft in Bezug auf Gewalt in eine Richtung, die das Wachstum der Sicherheitsbranche weiter vorantreibt? Die steigende Nachfrage nach privaten Sicherheitsdiensten in unterschiedlichen Kontexten lässt zumindest Raum für solche Überlegungen. Die Frage nach den Ursachen für diese Entwicklung und deren langfristigen Auswirkungen auf die soziale Dynamik bleibt dabei ebenso brisant wie komplex.

Dirk Dernbach

Geschäftsführer der SECURITAS Sport & Event GmbH & Co. KG
Wir sind keine Streetworker
Natürlich ändert sich unsere Gesellschaft. Dies ist ein andauernder Prozess, der sich immer fortsetzen wird. Sollte sie sich jedoch in Richtung Gewalt entwickeln, wäre das sehr bedauerlich. Wenn dieser Eindruck zurzeit vorherrscht, sollte es die Aufgabe unserer gewählten Volksvertreter sein, dem entgegenzuwirken. Leichter gesagt als getan. Auch ich schimpfe oftmals über die „Hilflosigkeit“ unseres Rechtsstaats. Ich schimpfe aber auch genauso über die Leistungen unserer Fußball-Herren-Nationalmannschaft, ohne eine Lösung zu haben, zumal auch dort meine mangelnden Fachkenntnisse nicht gefragt sein dürften. Hoffen wir, dass wir die richtigen Leute am richtigen Platz haben! Ich glaube aber nicht, dass dies das Wachstum des Sicherheitsgewerbes fördert, selbst wenn sich die Gesellschaft unserem Befinden nach negativ weiterentwickelt, zumal das von Ihnen genannte Beispiel überhaupt nichts Neues ist. Ich möchte es aber gerne aufgreifen. Es gibt bereits seit vielen Jahren Schwimmbäder, in denen Sicherheitskräfte tätig sind, und dies nicht immer nur aus Gründen der „Gewalt“ (Bsp. hier und hier). In einigen Bädern lungern gern obskure Gestalten in der Nähe von Kinderbecken herum, in anderen häufen sich Diebstähle und bei wenigen finden sich Bohrlöcher in den Wänden, die die Herren- von den Damenumkleiden trennen sollen. Dies lässt sich aber auch auf viele andere Bereiche übertragen. Soll man präventiv vorgehen und an jedem Spielplatz oder Schwimmbad Sicherheitskräfte platzieren? Wir sind keine Streetworker, Sozialarbeiter, Migrationsbeauftragte und bestimmt keine Ersatz-Erziehungsberechtigte. Und wenn schon gegenüber der Polizei und anderen Hilfskräften kein Respekt gezollt wird – zumal das Wort an sich oftmals schon als Gewaltvorwand ausreicht –, wie soll man erwarten, dass dies dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin eines privaten Sicherheitsunternehmen entgegengebracht wird? Ich glaube, die wenigsten Unternehmen in unserer Branche rühmen sich damit, einen Schlägertrupp zu führen. Und das ist auch gut so!

Peter Haller

Geschäftsführender Gesellschafter der All Service Sicherheitsdienste GmbH
Private Sicherheitsdienste können nicht soziale Probleme lösen
Wir beobachten schon seit Jahren die zunehmende Hemmungslosigkeit von Personen. Nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in den Sozialen Medien ist die Verwahrlosung der Sprache und der Umgang miteinander immer schlimmer geworden. Ob sich dadurch neue Geschäftsfeldern für die private Sicherheit auftun, vermag ich nicht zu beurteilen. Wir als Unternehmen können aber auf solche neue Geschäftsfelder gerne verzichten. Gewalt gegen Personen, insbesondere gegen Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste und private Sicherheitsmitarbeiter nehmen augenscheinlich zu. Der Gesetzgeber muss hier mit allen Mitteln einschreiten und die Täter im Rahmen der Gesetze hart und vor allen Dingen schnell bestrafen. Es muss möglich sein, uns in unserer Gesellschaft an allen öffentlichen Stellen gemeinsam friedlich zu begegnen. Private Sicherheitsdienste können soziale Probleme nicht lösen.

Marcus A. Karallus

Leiter des Akademiebetriebs der Power Akademie GmbH
Deutungshoheit nicht den Pessimisten überlassen
Nicht Gewalt fördert das Wachstum des Sicherheitsgewerbes, sondern die fortschreitende Professionalisierung der Branche. Die Sicherheitsbranche ist mittlerweile durch verbesserte Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals sowie Studiengänge in der Lage, zielführend Aufträge zu übernehmen, die aus einer hohen Gewaltbereitschaft resultieren. Gewalt gibt es seit Anbeginn der Menschheit. Es wechseln die Protagonisten und die Motivlagen oder, wie im konkreten Fall der Schwimmbäder, die Orte. Auch durch Zuwanderung gibt es weltweit in allen Einwanderungsgesellschaften Problemphasen. Das ist kein isoliertes Thema Deutschlands. Und es wird sich nicht durch Repression regeln, sondern wie immer durch Anpassung und Ankommen der Menschen in unterschiedlichen Lebensbereichen. Die Vielfalt und Diversität der Gesellschaft spiegelt sich, bedingt durch die unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen, schneller in der Sicherheitsbranche wider als bei staatlichen Institutionen. Daher kann ein interkulturell geprägtes Sicherheitspersonal, unter bestimmten Bedingungen, solche Problemphasen mit mehr Fingerspitzengefühl begleiten. Es gilt, wie bei so vielen anderen schwierigen Themen, weder den Glauben an die Gesellschaft noch an die Lösungskompetenz der Menschen zu verlieren. Und es gilt, die Deutungshoheit nicht den Pessimisten zu überlassen.

Michael Metz

Niederlassungsleiter Rhein-Main & Niederlassung Süd bei Apleona Security Services
Stillstand bringt uns nicht weiter
Wie in der Frage richtig angemerkt, steigt die Erwartungshaltung an das Sicherheitsgewerbe stetig an. Unser Leistungsportfolio beinhaltet folglich, dieser Nachfrage geschuldet, immer mehr Tätigkeitsfelder. Aus meiner Sicht wird das Wachstum nicht getrieben durch die wahrgenommene Zunahme an Gewalt, sondern durch ein nachvollziehbares und berechtigtes Bedürfnis an mehr Sicherheit. Ich bin davon überzeugt, dass es nur durch das Handeln aller Sicherheitsorganisationen und die Ausarbeitung gemeinsamer Konzepte beherrschbar bleibt. Stillstand bringt uns hier nicht weiter. Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft in Sachen Gewalt unser Wachstum fördert. Meiner Meinung nach ist es die fehlende Kontrolle beziehungsweise die fehlende Präsenz und die fehlende Anwendung der vorhandenen Gesetze, was die Gewaltbereitschaft fördert. Im Grunde ist es ein gesetzfreier Raum, sofern die „Täter“ nicht ermittelt und mit entsprechend hoher Strafe belegt werden. Nachweislich ist der Zeitraum zwischen Tat und Urteil deutlich zu lang. Im Fall der genannten Vorkommnisse ist die Anzahl der Täter deutlich gewachsen, wodurch es eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften benötigt, um dagegen zu wirken. Konzepte werden erforderlich. So muss man gleichermaßen über „Bodycams“, personifizierten Zutritt, Sicherheitskonzepte mit den Sicherheitsbehörden sowie über den Einsatz von weiterer Technik sowie weiterer Sicherheitsmaßnahmen nachdenken. Die Sicherheitsorgane müssen sich hier genauso oder schneller entwickeln, um gegenwirken zu können. Dies ist in vielen Fällen unwirtschaftlich. Grundprinzipiell muss bei Straftaten schnell reagiert, Unterstützung der Behörden schnell vor Ort und die Ermittlung der Täter schnell erfolgen. Ein Täter muss wissen, dass er bei einer Tat zum einen nicht ungestraft davonkommt, und zum anderen er empfindliche Strafen bekommt. Ob dies durch das Sicherheitsgewerbe beeinflusst werden kann, bezweifele ich. Unsere Sicherheitskräfte an den Standorten sind dann leider die Leidtragenden.

Bernd M. Schäfer

Geschäftsführender Gesellschafter der Atlas Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienst GmbH
Nicht die Gesellschaft bringt den Nachfrageschub, sondern Lösungskompetenz
Die Sicherheitswirtschaft ist und bleibt eine Wachstumsbranche. Das hat viele Gründe. Immer vielfältigeren Anforderungen steht eine immer flexiblere Lösungen anbietende Branche gegenüber, die ihre Angebote permanent erweitert. Wenn man heute jemandem aus dem Jahr 1970 zeigen würde, was im Jahr 2023 Realität ist, dann würde er nur von Science Fiction sprechen und es nicht glauben. Die Anforderungen kommen im Wesentlichen aus zwei Bereichen: der technischen Innovation und dem steigenden Kriminalitätsdruck. Die provokante Frage, ob eine gesellschaftliche Entwicklung in Richtung Gewalt die Sicherheitswirtschaft fördert, muss daher klar mit „Ja“ beantwortet werden. Genauso wie Brände die Feuerwehr fördern, fördern Bedrohungen und Straftaten die Sicherheitswirtschaft. Allerdings ist die Frage zu stellen, ob die in den Medien berichtete Kriminalität tatsächlich ein Bild der Wirklichkeit widerspiegelt. Kann es nicht vielmehr auch sein, dass gerne und ausgiebig – ob aus Sensationsinteresse oder mit politischer Absicht – über Gewaltverbrechen berichtet wird, um die Bevölkerung entweder zu unterhalten oder zu verunsichern? „Bad news are good news“ ist ein alter Grundsatz des Journalismus. In Zeiten von Medienüberflutung ist „Doomscrolling“ ein beliebtes Hobby einiger Menschen, was einen verzerrten Blick auf die Gegenwart fördert. Festzuhalten ist jedoch, dass Deutschland nach wie vor ein sehr sicheres Land ist. Losgelöst von jeglicher Statistik bringt hier die direkte Befragung von Menschen aus außereuropäischen Ländern, die sich bei uns in Deutschland aufhalten, ein wesentliches und immer gleich lautendes Ergebnis: Auf die Frage, was denn hier anders als im Heimatland sei, wird IMMER und das als erstes ausgeführt, dass es hier viel sicherer sei. Die Sicherheitswirtschaft wird sich auch in Zukunft weiterentwickeln, vom Wachmann mit Hund am langen Arm hin zu einem kompetenten Dienstleister mit dem Schwerpunkt Safety und Security. Die Branche hat Perspektive und genügend innovative Ideen, die ihr nicht ausgehen werden. Der Nachfrageschub resultiert also nicht vor allem aus einer Entwicklung der Gesellschaft in Richtung Gewalt, sondern aus dem Anbieten von Lösungen auf der Höhe der Zeit.

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