Insourcing

Zum Auftakt der neunundvierzigsten Runde stellen wir die Frage: „Was würde verstärktes Insourcing für das Sicherheitsgewerbe bedeuten und wie kann es dem vorbeugen?“

Im Interview mit:


Eine kurze Einleitung:

Im vergangenen Oktober gab die Stadt Dortmund bekannt, dass sie eine eigene Security-Firma gründen werde, weil sie mit den Leistungen der privaten Dienstleister nicht zufrieden sei. Auch wenn man seitdem nichts mehr davon gehört hat, ist das kein Einzelfall. In Berlin ist das Insourcing schon gang und gäbe – diverse Sicherheitsbehörden betreiben die Bewachung ihrer Liegenschaften lieber selbst. Und dass mancher Entscheidungsträger in der Bundespolizei die Luftsicherheitskontrollen den klassischen Anbietern aus der Branche lieber heute als morgen abnehmen würde, ist ein offenes Geheimnis. Ein Trend mag sich daraus noch nicht ablesen lassen, aber das kann sich jederzeit ändern. Sehen Sie Anzeichen für eine entsprechende Entwicklung? Was würde verstärktes Insourcing für das Sicherheitsgewerbe bedeuten und wie kann es dem vorbeugen?

Dirk Faßbender

Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG
Gut ausgebildetes Personal und eine starke Führungsebene sind die Erfolgsfaktoren
Besinnung auf das Kerngeschäft, Flexibilität, Minimierung des Geschäftsrisikos oder Kostenreduzierung waren in der Vergangenheit starke Argumente, die Unternehmen als Gründe für ein Outsourcing gesehen haben. Doch mittlerweile macht sich schon ein gewisser Gegentrend bemerkbar, die extern vergebenen Sicherheits-Dienstleistungen und das damit einhergehende betriebliche Sicherheits-Know-how wieder in die Unternehmen zurückzuholen. Durch den Einkauf der Kunden nach dem Billigbieterprinzip, falsche oder fehlerhafte Dienstleisterauswahl, fehlerhafte Leistungsbeschreibung, falsche Qualifikationsanforderungen, unzureichende auftraggeberseitige Überwachung der extern vergebenen Sicherheits-Dienstleistungen haben immer wieder zu Problemen beim „Outsourcing von Sicherheits-Dienstleistungen“ geführt. Hinzu kommen starren Reglementierungen aus Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), was bei vielen Kunden zum Umdenken im Umgang mit den eingesetzten externen Sicherheitsmitarbeitern führt. Denn so, wie diese bisher in die Strukturen der Kunden, eingebunden werden, fallen viele Sicherheits-Dienstleistungen unter das AÜG. Auch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sorgt für Probleme bei den Kunden, gerade im Umgang mit personenbezogenen Daten, beispielsweise im Rahmen von Telefondiensten, Besucheranmeldungen, E-Mail-Verkehr oder Sicherheitsmeldungen und müssen daher vertraglich neu geregelt und auch überwacht werden. Der Fach- und Arbeitskräftemangel in den Sicherheitsunternehmen sowie eine immer schwieriger werdende Rekrutierung von zuverlässigem und geeignetem Sicherheitspersonal führen dazu, dass viele Kunden die bisher outgesourcten Sicherheits-Dienstleistungen neu bewerten. Der Trend, dass die Erbringung von Dienstleistungen komplexer und anspruchsvoller wird und die Verantwortung von Sicherheitspersonal und Sicherheitsabteilungen (-firmen) weiter steigt, lässt sich nicht leugnen. Gerade in der Unternehmenssicherheit sind in den letzten Jahren stärkere Anforderungen an den Know-how-Schutz, die frühzeitige Erkennung von Schwachstellen und eine schnelle und folgerichtige Reaktion auf Sicherheitsereignisse hinzugekommen. Somit stellen sich heute schon viele Unternehmen die Frage, ob sie die outgesourcten Sicherheits-Dienstleistungen auch weiterhin bei externen Anbietern belassen oder ob nicht vielleicht Insourcing doch die bessere und für das Unternehmen „sicherere“ Lösung ist. Hier müssen sich die Sicherheitsunternehmen als verlässliche Partner mit gut ausgebildetem Personal und einer starken Führungsebene, die ihr Ohr nach am Kunden hat, beweisen. Ansonsten drohen mittelfristig Auftragsverluste durch Insourcing.

Tony Fleischer

Geschäftsführer der proSicherheit GmbH
Mancher Kunde weiß sich nicht anders zu helfen
Geiz ist geil – das war nicht nur ein bekannter Werbeslogan, sondern auch eine verbreitete Einstellung vieler Unternehmen und Behörden mit dem Ergebnis des Outsourcings der eigenen Sicherheits-Dienstleistungen, am liebsten beim günstigsten Anbieter. Wie das allgemeine Konsumverhalten heute nicht mehr zu diesem Motto passt, so hat sich analog auch das Denken einiger Konzerne und Behörden hinsichtlich ihrer Sicherheit verändert. Bei Gesprächen mit potenziellen Neukunden höre ich häufig ihre Enttäuschung über Sicherheits-Dienstleister heraus. Es werde viel versprochen, wenig eingehalten und noch weniger auf die Bedarfe des Kunden eingegangen. Die Kunden suchen hohe Qualität und Serviceorientierung und wünschen sich die „mitdenkende Visitenkarte“ des Unternehmens. Das ist aber nicht durch ein gekauftes „Upgrade“ auf Geprüfte Schutz und Sicherheitskraft schnell erledigt, sondern bedarf Zeit und Aufwand. Im Vordergrund steht die angemessene Bedarfsanalyse, um zu ermitteln, was der Kunde eigentlich benötigt, um dieses sodann auch an die eigenen Mitarbeiter weiterzugeben. Dem Kunden diese Erkenntnisse zu vermitteln und in Zahlen auszudrücken, um auch den finanziellen Mehraufwand stemmen zu können, ist den meisten Anbietern zu kompliziert oder zu aufwändig. Leider führt das wiederum genau zu dem Punkt, an dem der Kunde sich nicht besser zu helfen weiß, als die Dienstleistung wieder zu sich „ins Haus“ zu holen. Wie können wir diesem Trend entgegenwirken? Ein Baustein wäre weniger Dienstleistung von der Stange, mehr Kommunikation zwischen Kunden und Dienstleister sowie, daraus resultierend, ein angepasster Service – ausgerichtet am aktuellen Bedarf.

Florian Graf

Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft e.V. (BDSW) und der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW)
Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer!
Anstatt eine eigene Security-Firma zu gründen, sollte die Stadt Dortmund lieber das eigene Bewusstsein ihrer Ausschreibungspraxis verändern. Als ob der Staat automatisch der bessere Unternehmer wäre – wohl kaum! Wenn es um die Zufriedenheit mit der erbrachten Dienstleistung geht, hat die Stadt als Auftraggeber doch alle Möglichkeiten in der Hand, über die Ausschreibung den Qualitätsrahmen zu setzen. Leider ist gerade bei der öffentlichen Hand immer noch die Billigvergabe gängige Praxis. Damit muss Schluss sein, denn qualitativ hochwertige Dienstleistungen zuverlässiger und solider Dienstleister sind nicht zu Dumpingpreisen erhältlich. Dazu gehört die Bereitschaft unserer Kunden, die Qualitätsanstrengungen unserer Unternehmen zu honorieren und Qualifikationen mit Entgelten deutlich oberhalb des Mindestlohns nachzufragen. Sicherheitsqualität hat nun einmal ihren Preis! Alle Erfahrungen zeigen doch, dass ein Insourcing für den Staat in aller Regel teurer wird und es zumeist am praktischen Know-how fehlt. Aus diesem Grund wäre es gerade auch vor dem Hintergrund der fehlenden Arbeitskräfte in der Sicherheitsbranche ein besonders falsches Signal, wenn ausgerechnet der Staat den privaten Unternehmen die Fachkräfte abwirbt, um in deren Segment unternehmerisch tätig zu werden.

Sebastian Otten

Sicherheitskoordinator bei der OBJEKTCONTROL Sicherheitsdienste Vogt GmbH
Wer Arbeit von Profis erwartet, muss diese auch beauftragen
Überleben wird, wer ganzheitliche Sicherheit leistet, nicht aber Bewachung aus einer längst vergangenen Zeit im Angebot hat. So weit grundsätzlich. Am Beispiel von Dortmund fällt mir gleich eine Besonderheit auf: Die Kommune, die selbst die seit 2002 etablierte Berufsausbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit anbietet und die so generierten Fachkräfte im Kommunalen Ordnungsdienst einsetzt, hat bisher keine Aufträge ausgeschrieben, in denen Qualität eine ausreichende Rolle spielt. Gleichzeitig beklagt man sich aber über die Minderleistung der beauftragten Firmen und sucht nun die Flucht nach vorne. Für das Insourcing ist die Antwort auf die Frage „Worum geht es wirklich?“ zu finden. Es geht darum, dass gering qualifizierte Seiteneinsteiger auf Basis der von mir nicht geschätzten IHK-Unterrichtung gemäß § 34a GewO die Bedürfnisse der Kunden nicht erfüllen können. Gleichzeitig sind aber diese Kunden, siehe Stadt Dortmund, nicht bereit, auf Fachkräfte und definierte Mindeststandards zu setzen, in dem man sich ausschließlich auf Unternehmen mit einer Zertifizierung nach DIN 77200 verlässt. Wer Arbeit von Profis erwartet und wünscht, muss diese Profis auch beauftragen und keine Aufträge auf Basis des Preises vergeben, ohne die Qualität angemessen zu berücksichtigen. Für mich als Experten für Schutz und Sicherheit, inklusive Arbeitssicherheit und Brandschutz, liegt die Lösung für unser Gewerbe daher in der Professionalisierung. Auf Basis von Berufsausbildung und zertifizierter Qualität können wir jeden Kundenanspruch erfüllen. Gleichwohl funktioniert diese Entwicklung nur, wenn der Markt das Angebot nachfragt und sich nicht, fernab der eignen Kernkompetenzen, mit sich selbst beschäftigt, so wie es in Dortmund gerade passiert.

Ralf Philipp

Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD – Sicherheit und Dienstleistungen GbmH & Co. KG
Nur mit Kehrtwende bei Entlohnung und Arbeitsbedingungen erfolgreich
Tatsächlich sehe ich hier noch keinen Trend auf uns zukommen. Auch eine echte Diskussion von Entscheidungsträgern der Bundespolizei, diese Leistungen selbst zu erbringen, ist nicht zu erkennen. Da schon heute Tausende Beamten fehlen, dürfte es auf Angestellte hinauslaufen. Auch das wäre schnell möglich, zum Beispiel über eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die dann der Bundespolizei untersteht. Im Übrigen immer wieder mal gefordert, wenn die privaten Sicherheitskräfte an Flughäfen in den Streik treten. Das wäre auch an anderen Punkten, die unseren Staat vor Herausforderungen stellen, möglich. Unglücklicherweise nehme ich den Staat eher als unbeliebten Auftraggeber für Sicherheits-Dienstleistungen wahr. Der Verdienst der Mitarbeiter bewegt sich im unteren Bereich des TVöD. So wird eine Sicherungskraft des Bundeskriminalamtes in EG 5 TV EntgO Bund eingeordnet (zum Vergleich: ein Angestellter im städtischen Vollzugsdienst dürfte in 8 oder 9 eingruppiert sein). Dies entspricht derzeit einem monatlichen Lohn in Höhe von 2.576,29 brutto: bewaffneter Dienst mit einem Stundenlohn von etwas unter 15 Euro in der Stunde. Zum Vergleich: Der bewaffnete militärische Objektschützer verdient in Hessen 15,18 Euro pro Stunde. Als Sicherheitsmitarbeiter im ÖPNV sogar 19,35. Für mich ein gutes Beispiel dafür, wieso es für den Sicherungsdienst des BKAs so schwierig ist, Personal zu finden. Natürlich ist dies nicht allgemeingültig für das gesamte Bundesgebiet, aber es ist ein Hinweis. Es reicht nicht nur, eine Gesellschaft zu gründen, Mitarbeiter einzustellen – und die Qualitätsprobleme der Vergangenheit sind gelöst. Dienstkleidung, Ausrüstung, Aus- und Fortbildung und die klassische Personalbedarfsplanung sind Hürden, die nicht so leicht zu nehmen sind. Nicht ohne Grund haben sich viele „Staatsbetriebe“ in der Vergangenheit entschieden, Sicherheitsleistungen extern zu vergeben. Das ist im täglichen Handling einfacher, besser zu kalkulieren und birgt Risiken, wenn man seinen Kontrollpflichten nicht nachkommt. Bestes Beispiel ist hier Berlin und die Miseren im Zusammenhang mit Ausschreibungen des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten. Kommt es tatsächlich zu einem echten „Insourcing“ von Leistungen, die derzeit extern vergeben sind, dann geht das nur mit einer Kehrtwende zum Beispiel bei der Entlohnung und den Arbeitsbedingungen. Wo sollen die Mitarbeiter herkommen, wenn sie bei Sicherheitsunternehmen besser verdienen? Neben den finanziellen Anreizen braucht es dann auch klare Kante bei den Arbeitsbedingungen, eine funktionierende Work-Life-Balance. Ist das realistisch? Sicher ist es umsetzbar, aber es hätte seinen Preis. Eine Lösung auf Basis der aktuellen Tarife im Bewachungsgewerbe wäre sicher auch möglich, aber auch da benötigt es Alleinstellungsmerkmale, um das Interesse von Bewerbern zu wecken. Abgesehen davon, würde es auch nicht ohne externe Dienstleister funktionieren. Wer würde die Kohlen aus dem Feuer holen, wenn der öffentliche Dienst streikt und die Leistungen sichergestellt werden müssten? Vielleicht wäre es wirtschaftlicher, diese Mehrkosten zu nutzen, um mehr Qualität zu fordern und die Einhaltung der Auflagen auch zu kontrollieren.

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