Ein grünes Bild mit der Aufschrift Gemeinnützigkeit

Gemeinnützigkeit

Zum Auftakt der neunzehnten Runde stellen wir die Frage “Sollte sich die Sicherheitsbranche dafür einsetzen, grundsätzlich als gemeinnützig anerkannt zu werden?“

Im Interview mit:

  • Michael Wronker · Vizepräsident des BVMS e.V.,
  • Michael Metz · Betriebsleiter Security (Bereich Süd) der ISS Communication Service GmbH,
  • Dirk Dernbach · Geschäftsführer der SECURITAS Sport & Event GmbH & Co. KG,
  • Bernd M. Schäfer · Geschäftsführender Gesellschafter der Atlas Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienst GmbH,
  • Peter Haller · Geschäftsführender Gesellschafter der All Service Sicherheitsdienste GmbH


Eine kurze Einleitung

Da beschwere sich noch einer darüber, dass die Finanzämter innovative Geschäftsmodelle erschwerten. In Hessen jedenfalls hatten die zuständigen Behörden laut Presseberichten nichts dagegen einzuwenden, dass ein Sozialverband mal eben eine gemeinnützige GmbH als Tochtergesellschaft gründet, um damit Sicherheits-Dienstleistungen zu erbringen – steuerfrei, versteht sich. Ein Spielverderber, der kleinlich nörgelt, dass so etwas die brav Steuern abführenden Unternehmen der Sicherheitswirtschaft benachteiligen könnte.

Aber wenn wir mal von diesem konkreten Fall absehen: Tragen nicht praktisch alle Dienstleistungen der Sicherheitswirtschaft irgendwie Züge der Gemeinnützigkeit? Hier wird doch der ewige Kampf zwischen Gut (Sicherheits-Dienstleister) und Böse (Schwarzfahrer, Diebe, Einbrecher, Krawallmacher, Wirtschaftsspione usw.) ausgefochten. Ganz so abwegig ist es also nicht: Sollte sich die Sicherheitsbranche dafür einsetzen, grundsätzlich als gemeinnützig anerkannt zu werden?

Vielleicht liegt darin die Zukunft der Sicherheit – im Dienst für die Gemeinschaft, steuerfrei und ohne Kompromisse in der Verfolgung des Guten. Das könnte einen Paradigmenwechsel bedeuten, weg von rein profitorientierten Ansätzen hin zu einer stärkeren sozialen Verantwortung. Die Sicherheitsbranche könnte nicht nur die physische Sicherheit gewährleisten, sondern auch aktiv zur Stabilität und Gemeinwohl beitragen. Es wäre ein mutiger Schritt, der nicht nur das Image der Branche verbessern könnte, sondern auch neue Möglichkeiten für soziales Engagement und nachhaltige Sicherheitskonzepte eröffnen würde.

Dirk Dernbach

Geschäftsführer der SECURITAS Sport & Event GmbH & Co. KG
Alles schon mal da gewesen
Bezieht sich die Frage jetzt eher auf „gemein“ oder auf „nützlich“? Gemein ist es schon, wenn man versucht, dem Staat durch bizarre Geschäftsmodelle Steuern vorzuenthalten, was letztlich dem Steuerzahler schadet. Nützlich ist es auf jeden Fall für diejenigen, die damit Geld verdienen. Ganz neu ist die Idee übrigens nicht. Mir sind durchaus Sicherheitsunternehmen bekannt, die dieses „Konzept“ schon früher umgesetzt haben. Einige davon haben aufgrund von geforderten Steuernachzahlungen Insolvenz anmelden müssen, andere haben den Steuerzahler weiterhin belastet, da er den Aufenthalt der Firmeninhaber in staatlich geförderten Unterbringungsanstalten ebenfalls finanziert. Also waren sie nur temporär gemeinnützig. Nimmt man jedoch die herkömmliche Assoziation für gemeinnützig, so gibt es ja auch durchaus Beispiele dafür, dass einzelne Städte Sicherheitsunternehmen gegründet haben, um – und das unterstelle ich jetzt mal – den Steuerzahler zu entlasten. Das nenne ich dann „gemeinnützig“, wenngleich diese Unternehmen auch selten das kleine „g“ vor ihrer GmbH-Firmierung gesetzt haben. Aber wem nützen sie sonst? Ich persönlich möchte lieber auf das Attribut „gemeinnützig“ verzichten, komme ich doch jetzt schon kaum noch durch den Bürokratiekram durch.

Peter Haller

Geschäftsführender Gesellschafter der All Service Sicherheitsdienste GmbH
Die Frage kann nur ironisch gemeint sein
Die Frage kann unmöglich ernst gemeint sein. Den geschilderten Fall in Hessen kann ich nicht bewerten, dafür sind offiziell einfach nicht genügend Fakten bekannt. Der BDSW hat ja auch schon seine Verwunderung darüber kundgetan. Hier bleibt abzuwarten, was die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft ergeben. Abgesehen davon, kann ich nicht verhehlen, dass es einen gewissen Charme hat, Sicherheits-Dienstleistungen grundsätzlich als gemeinnützig einzustufen. Aber das ist fern jeder realistischen Diskussion. Die Sicherheitsbranche ist privatwirtschaftlich organisiert und wird es immer bleiben – und das ist gut so. Ihre Frage kann ich nicht anders interpretieren, als dass sie – angesichts der Dreistigkeit, die dem geschilderten Fall innewohnt, falls er sich bestätigt – rein ironisch gemeint ist.

Michael Metz

Niederlassungsleiter Rhein-Main & Niederlassung Süd bei Apleona Security Services
Es liegt eindeutig keine Gemeinnützigkeit vor
Selbstverständlich sind Dienste am Menschen grundsätzlich Dienste auch für die Gesellschaft. Das gilt nicht nur für das Sicherheitsgewerbe, sondern auch für weitere Dienstleistungen am Menschen, zum Beispiel Pflege, Pannenhelfer und Werkfeuerwehren. Auch andere Bereiche der Sicherheitsbranche kommen in den Blick, denn auch Aviation- und Stadionsicherheit haben viel öffentliche Wirksamkeit und einen Nutzen für die Gemeinschaft. Handelt es sich hierbei aber um Leistungen, die im klassischen Sinn der Gemeinnützigkeit dienen? Nach meinem persönlichen Urteil ganz klar nein. Leider senken solche Modelle die Preise im Sicherheitsgewerbe weiter. Das führt dazu, dass es trotz sehr fähiger, qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Firmen bei geringen Löhnen und Verrechnungssätzen bleiben wird. Außerdem: Wie wäre es, wenn ein gemeinnütziges Unternehmen Subunternehmer beauftragt? Ist dann der Subunternehmer auch gemeinnützig? Wie soll er sich preislich aufstellen? Geprüft werden müsste, ob gesetzliche Anforderungen durch die Benennung der Gemeinnützigkeit eingeschränkt oder sogar umgangen werden könnten – Eintragungen im Bewacherregister oder die Voraussetzungen nach der Gewerbeordnung, Tarifbindungen und viele weiteren Regelungen. Denn dann würde vor allem qualitativ ein großes Schlupfloch entstehen können. Meine Erfahrung ist, dass die renommierten Sicherheitsunternehmen ein großes Interesse verfolgen, sich von den „schwarzen Schafe“ des Sicherheitsgewerbes zu distanzieren. Ist die Frage der Gemeinnützigkeit nun ein weiterer Schritt in diese Richtung oder davon weg? Schlussendlich müssen sich Behörden die Frage gefallen lassen: Wenn sie die Gemeinnützigkeit eines Unternehmens anerkennen, muss dann folgerichtig jedes Sicherheitsunternehmen die Anerkennung der Gemeinnützigkeit erhalten?

Bernd M. Schäfer

Geschäftsführender Gesellschafter der Atlas Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienst GmbH
Gemein und nützlich – eine Frage der Perspektive
Die Frage nach der „Gemeinnützlichkeit“ stellt sich bei vielen Sicherheits-Dienstleistern. „Nützlich“ ist zum Glück die überwiegende Anzahl, „gemein“ zum Glück nur wenige. Gemein und nützlich zusammen – das ist allerdings fast die Quadratur des Kreises. Zudem liegt beides im Auge des Betrachters. Als Tendenzbetrieb kann man zum Beispiel offen auf der eigenen Website gegen die Wahl von Erdogan als Präsident werben, so geschehen bei der AWO in Frankfurt vor der Wahl im Jahr 2018. Auch darf man die Mitgliedschaft in der AfD als Kündigungsgrund formulieren, auch dies eine Option für einen Tendenzbetrieb. Beides ist nützlich, aber ob es gemein ist, kommt eben auf die Perspektive an. Für die Allgemeinheit ist es mit Sicherheit nicht nützlich, wenn es Sicherheits-Dienstleister gibt, die sich in erster Linie selbst nützlich sind, aber dabei gegenüber anderen Unternehmen gemein agieren. Gemein agiert man dann, wenn man in einer steuerlich geschützten Nische agiert und so tut, als ob man ein Wirtschaftsunternehmen sei, das im Wettbewerb steht. Eine Lösung könnte tatsächlich sein, dass alle Sicherheitsunternehmen als gemeinnützlich anerkannt werden. Zum einen gäbe es dann Gleichheit – und das wäre dann nicht mehr gemein. Zum anderen würde die Dienstleistung dadurch billiger, denn durch den Wegfall der Umsatzsteuer würde der Staat auf Einnahmen verzichten. Und das wäre dann extrem nützlich für alle, die diese Leistungen in Anspruch nehmen möchten. Ein Zwischenschritt könnte die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von nur 7 statt 19 Prozent sein, denn Sicherheit ist so wichtig wie das tägliche Brot. Und warum soll man zwei lebenswichtige Dinge unterschiedlich besteuern? Das ist doch wirklich gemein.

Michael Wronker

Vizepräsident des BVMS e.V.
Genug andere Herausforderungen zu meistern
Sicherheit als gemeinnützige Branche? Schwer vorstellbar. Die Sicherheitsbranche ist und bleibt wirtschaftlich ausgerichtet. Wir sind nicht gemeinnützig. Wir bewachen/beschützen gewerblich Leben und Eigentum derjenigen, die dafür zahlen. Natürlich ist die Sicherheitsbranche mittlerweile ein fester Bestandteil der Sicherheitsstruktur. Sie ist stolz auf die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden, deren Aufgabe die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist. Trotzdem wird die Branche nicht im Allgemeinwohl tätig, und das wäre Voraussetzung für die Gemeinnützigkeit. Dass es in der jüngeren Vergangenheit derartige Bestrebungen gab, ist finanziellen Interessen geschuldet. Manche Organisationen und ihre Berater haben eine grenzenlose Fantasie, wenn es um neue Modelle der Gewinnmaximierung geht. Dadurch wird aber die Leistung keine andere. Es wäre auch unverantwortlich gegenüber dem Steuerzahler, der Sicherheitsbranche die Vorteile der Gemeinnützigkeit zu gewähren. Welchen Grund sollte es dafür geben? Ich sehe nicht, dass unsere Branche die in der Abgabenordnung genannten Voraussetzungen erfüllt oder jemals erfüllen wird. Unsere Branche ist nicht auf die selbstlose Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem und sittlichem Gebiet ausgerichtet. Man stelle sich nur die endlose, immer wiederkehrende Diskussion mit den Finanzbehörden vor, wenn man Derartiges in Betracht zöge. Da hat unsere Branche definitiv genug andere Herausforderungen zu meistern.

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