Fachkräfte Engpass

Zum Auftakt der zweiten Runde stellen wir die Frage „Könnte ein höherer Mindestlohn für diese Branche das Problem der fehlenden Fachkräfte lösen?“

Im Interview mit:

  • Klaus Bouillon · Präsident des BVMS e.V.,
  • Michael Metz · Stellvertretender Objektleiter und Ausbilder bei der Frankfurter Niederlassung der Klüh Security GmbH,
  • Ute Kittel · Mitglied des Bundesvorstandes der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Berlin und Fachbereichsleiterin „Besondere Dienstleistungen“,
  • Dirk Dernbach · Geschäftsführer der SECURITAS Sport & Event GmbH & Co. KG


Eine kurze Einleitung:

„Die fehlenden Fachkräfte in den Unternehmen werden zur Herausforderung für die gesamte deutsche Wirtschaft“, heißt es im jüngsten Arbeitsmarktreport des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Das schließt das Sicherheitsgewerbe mit ein, das händeringend nach Mitarbeitern sucht. Dazu zwei Fragen: Könnte ein höherer Mindestlohn für diese Branche das Problem der fehlenden Fachkräfte lösen? (+ Begründung) Mit welchen Maßnahmen/Angeboten könnten darüber hinaus Sicherheitsunternehmen bei mehr Menschen das Interesse wecken, bei ihnen eine Tätigkeit aufzunehmen?

Klaus Bouillon

Ehemaliger Präsident des BVMS e.V.
Interne Karrierechancen bieten
Ein höherer Mindestlohn kann das Problem des Personalmangels in der Sicherheitswirtschaft nur begrenzt lösen. Sicherlich wird es Abwanderungen zu anderen Arbeitsstellen geben, die eine geregelte Arbeitszeit und einen höheren Stundenlohn bieten. Dies betrifft aber nur einen kleinen Teil, da sich viele Sicherheitsmitarbeiter mit ihrem Aufgabengebiet identifizieren. Neben der Bezahlung ist es wichtig, dass Ausbildung, Qualifizierung und Fortbildung im Sicherheitsgewerbe im Vordergrund stehen und gefördert werden. Auch muss es für die Mitarbeiter die Möglichkeit geben, innerhalb des Unternehmens im Laufe ihrer Karriere aufzusteigen. Um dies zu ermöglichen, muss zunächst das Ansehen der privaten Sicherheitsdienstleister in der Öffentlichkeit gefördert werden. Dies ist mit einer anspruchsvollen Aus- und Fortbildung zu erreichen. Insbesondere die Ausbildungsberufe „Fachkraft für Schutz und Sicherheit“ sowie „Servicekraft für Schutz und Sicherheit“ müssen mehr bei den Kunden implementiert werden.

Dirk Dernbach

Geschäftsführer der SECURITAS Sport & Event GmbH & Co. KG
40 Stunden IHK-Unterrichtung: Ist das schon Fachkraft?
Fachkräftemangel und Mindestlohn beißen sich. Und die Gebetsmühlen, dass wir bei entsprechender Bezahlung unsere Personalprobleme lösen können, halte ich auch für einen Trugschluss. Eine „Fachkraft“ ist für mich jemand, der eine fundierte Ausbildung hat. Hier sei exemplarisch der Luftsicherheitsassistent genannt, der in Nordrhein-Westfalen einen Stundentariflohn von 17,05 Euro bekommt. Dennoch suchen die Unternehmen händeringend nach entsprechendem Personal. Also kann es am Geld allein nicht liegen. Der Mindestlohn hingegen ist die niedrigste Tarifgruppe. Dafür genügt es, an einer 40-stündigen Unterrichtung an der IHK teilzunehmen. Ist das schon „Fachkraft“? Der dafür angesetzte Stundentariflohn liegt in NRW bei 10,16 Euro. Vergleichen wir den mal mit anderen im Tarifspiegel des NRW-Arbeitsministeriums aufgeführten Berufen, zum Beispiel dem Friseurhandwerk: Stundenlohn 9,68 Euro für Arbeitnehmer mit Gesellen- oder Meisterprüfung, also mindestens drei Jahre Ausbildung (im Vergleich zu 40 Stunden Unterrichtung). Gelernte Konditoren und Bäcker: 8,58 Euro. Arzthelferin: 8,87 Euro. Wenn wir Fachkräfte in der Sicherheitsbranche einsetzen, sollten diese auch nach ihrer Qualifikation entlohnt und die Tätigkeit nicht künstlich in niedrigere Tarifgruppen eingeordnet werden, um einen günstigen Preis anbieten zu können. Und wenn dann der Anreiz da ist, sich weiterzubilden, und die Entlohnung sich parallel mit der Qualifikation entwickelt, wird vielleicht auch unsere Branche attraktiver.

Ute Kittel

Mitglied im ver.di - Bundesvorstand
Beschäftigungspolitik mit Blick auf die Digitalisierung
Ein höherer Mindestlohn ist wichtig und sorgt bei geringqualifizierten Tätigkeiten natürlich für Attraktivitätszuwächse. Was wir brauchen, sind darüber hinaus vor allem positive Effekte im Bereich der mittel- bis höherqualifizierten Berufsgruppen. Mit Blick auf die Digitalisierung ist dies die Hauptzielgruppe einer erforderlichen Beschäftigungspolitik der Sicherheitsbranche. Denn genau um diese Beschäftigtengruppe werben auch andere Branchen – oft mit einem höheren Einkommensangebot, als es Dienstleistungsunternehmen im Sicherheitsbereich bieten. Gefragt ist jetzt eine Schwerpunktsetzung auf neue Felder der Personalpolitik, die attraktive Arbeitsbedingungen anbietet. Dazu müssen konkrete Angebote gemacht werden, zum Beispiel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – trotz der Notwendigkeit von Schicht- und Wochenendarbeit – oder für demografische Erwerbsverläufe innerhalb eines Unternehmens. Ein für alle Seiten verlässlicher Schritt sind entsprechende Tarifregelungen. Nur dann sind zeitgemäße Vereinbarungen attraktiv, und die Beschäftigten wissen, dass sie auf eindeutige und nachprüfbare Regelungen zurückgreifen können.

Michael Metz

Niederlassungsleiter Rhein-Main & Niederlassung Süd bei Apleona Security Services
Mehr als nur ‚verdienter Lohn
Meiner Meinung nach wird ein höherer Mindestlohn die Engpässe nicht lösen können. Selbst in Objekten, in denen übertariflich und somit weit über Mindestlohn gezahlt wird, ist der Mangel an Fachkräften spürbar. Wichtig sind gleichermaßen die objektiven und subjektiven Kernelemente in der Beschäftigung von Sicherheitsmitarbeitern. Hier muss die ordentliche Bezahlmoral der Firmen im Vordergrund stehen. Seriöse Firmen bezahlen ihren Mitarbeitern den „verdienten Lohn“. Dies kann allerdings nur der Grundstein für eine Beschäftigung im Sicherheitsgewerbe sein. Ein zusätzliches Entgegenkommen wie Betriebsrentenangebote (wie bei der Klüh Security GmbH), Jobtickets und sozialverträgliche Dienstpläne mit möglichst langfristiger Planungsmöglichkeit, sind nur wenige der optionalen Angebote für die künftigen Mitarbeiter in einem Unternehmen. Der Bewerber muss sich fair behandelt fühlen und es muss eine den Arbeits- beziehungsweise Qualifikationsleistungen entsprechende individuelle Lösung gefunden werden. Hier spielen natürlich der Auftritt in den sozialen Netzwerken und ein positives Feedback der eingesetzten Mitarbeiter eine entscheidende Rolle. Selbstverständlich muss das Unternehmen dem Mitarbeiter zeitgemäß gegenübertreten, so dass zum Beispiel elektronische, webbasierte Dienstpläne mit einer „On-Time“-Option zur Kontrolle der eigenen Abrechnung Standard in jedem Unternehmen sein sollten.

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