Schutz von militärischen Liegenschaften

Zum Auftakt der einundzwanzigsten Runde stellen wir die Frage: „Was müsste getan werden, um diese nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Wachleute zumindest komfortablere Situation auf andere Aufträge der öffentlichen Hand zu übertragen?“

Im Interview mit:

  • Michael Wronker · Vizepräsident des BVMS e.V.,
  • Michael Metz · Betriebsleiter Security (Bereich Süd) der ISS Communication Service GmbH,
  • Christine Behle · Stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Berlin, und Leiterin diverser Fachbereiche, darunter „Besondere Dienstleistungen“,
  • Dirk Dernbach · Geschäftsführer der SECURITAS Sport & Event GmbH & Co. KG,
  • Bernd M. Schäfer · Geschäftsführender Gesellschafter der Atlas Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienst GmbH,
  • Peter Haller · Geschäftsführender Gesellschafter der All Service Sicherheitsdienste GmbH


Eine kurze Einleitung:

Seit 100 Jahren schützen private Sicherheits-Dienstleister militärische Liegenschaften in Deutschland. Angesichts der recht kritikfreien Würdigungen dieses Jubiläums, die aus der Branche zu vernehmen waren, konnte man den Eindruck gewinnen, dass die öffentliche Hand – anders als bei ihren anderen Aufträgen, etwa in Sachen Objektschutz – weniger knauserig sei. Was müsste getan werden, um diese nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Wachleute zumindest komfortablere Situation auf andere Aufträge der öffentlichen Hand zu übertragen?

Christine Behle

Stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Berlin, und Leiterin diverser Fachbereiche, darunter „Besondere Dienstleistungen"
Gute Bezahlung für die ‚Held*innen des Alltags
In diesen Tagen zeigen sich deutlich die Tätigkeiten, die für den Ablauf einer Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind. Auch die Beschäftigten in den Sicherheitsbranchen gehören zu diesen „Held*innen des Alltags“: Ihr täglicher Einsatz unterstreicht das Vertrauen einer Gesellschaft in die öffentliche Ruhe. Egal, ob es um die Bewachung des öffentlichen Raums, des Handels oder kommunaler Einrichtungen geht, eines gilt dabei: Je weniger die Beschäftigten des Sicherheitsdienstes auffallen, desto erfolgreicher ist ihre Arbeit. Mitunter wird dies mit fehlender Qualifikation verwechselt, aber vorhandene Fachkenntnisse und soziale Kompetenz zeichnen gute Sicherheitsbeschäftigte aus. Mit der Übertragung öffentlicher Aufgaben auf private Sicherheitsunternehmen, oft zur Entlastung des öffentlichen Haushalts, gerät das leider zu oft aus dem Blickwinkel. Im Wettbewerb um qualifiziertes motiviertes Personal können die Sicherheitsunternehmen immer schwieriger ihren abgeforderten Aufgaben nachkommen. Das wird sich unter den Anforderungen eines technisch sich erweiternden Aufgabenfeldes weiter verschärfen. Sicherheit hat keine Bürozeiten, sondern muss 7 Tage 24 Stunden geleistet werden. Die öffentliche Hand muss ausgeschriebene Aufgaben entsprechend gut bezahlen. Gefordert ist ebenso der zuständige Arbeitgeberverband: Der BDSW muss sich konsequenter gemeinsam mit unserer Gewerkschaft ver.di für gute Entlohnung und tariflich abgesicherte Arbeitsbedingungen der Beschäftigten einsetzen.

Dirk Dernbach

Geschäftsführer der SECURITAS Sport & Event GmbH & Co. KG
Nicht anders als bei anderen öffentlichen Aufträgen
Dass die „Knauserigkeit“ der öffentlichen Hand bei der Auftragsvergabe für militärische Liegenschaften weniger ausgeprägt ist, wage ich zu bezweifeln. Kollegen und Mitbewerber schildern mir das ganz anders. Aber vielleicht eine Täuschungstaktik, damit ich nicht auch noch in dieses Geschäft einsteige. Womöglich ist das bei Betreibermodellen anders. Bei „klassischen“ Bewachungsausschreibungen findet sich so gut wie immer der Passus zu den Zuschlagskriterien: „…das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Ausschreibungsunterlagen, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder zur Verhandlung bzw. in der Beschreibung zum wettbewerblichen Dialog aufgeführt sind“. Im Klartext heißt das nichts anderes, dass in der Regel der günstigste Anbieter den Zuschlag erhält. Und da haben wir auch hier das Hauptproblem bei öffentlichen Aufträgen. Ungeachtet dessen, dass auch schon mal darauf hingewiesen wird, dass Tarifverträge nur bedingt Gültigkeit haben. Alle reden über mehr Qualität, bessere Ausbildungen, usw., aber kaum ein Kunde ist bereit, dafür die Mehrkosten zu tragen. Und die öffentliche Hand schon mal gar nicht. Ob das die letzten 100 Jahre immer so war, entzieht sich meiner Kenntnis.

Peter Haller

Geschäftsführender Gesellschafter der All Service Sicherheitsdienste GmbH
Wer soll aus diesem Gewerbe schlau werden?
Die Bewachung militärischer Liegenschaften seit 100 Jahren in Deutschland ist einerseits eine Erfolgsgeschichte, denn sie zeigt, welch verantwortungsvolle Aufgaben das Sicherheitsgewerbe zu bewältigen in der Lage ist. Eine monetäre Erfolgsgeschichte ist sie freilich nicht, denn am Ende steht in den meisten Ausschreibungstexten: ‚Den Zuschlag erhält der Anbieter mit dem niedrigsten Preis.‘ Sprich: Dumping, Dumping, Dumping. Und unsere Branche lässt es sich nicht nur gefallen, sondern applaudiert auch noch zum Jubiläum. Wer soll aus diesem Gewerbe schlau werden?“

Michael Metz

Niederlassungsleiter Rhein-Main & Niederlassung Süd bei Apleona Security Services
Höhere Vergütung könnte zu höherer Motivation führen. Könnte…
Ich finde es sehr gut, wenn es Auftraggeber gibt, die mit gutem Vorbild vorangehen. Grundsätzlich sollten Beauftragungen öffentlicher Institution so gestaltet sein, dass es dem ausführenden Unternehmen möglich ist, den Sicherheitsmitarbeitern angemessene Löhne zu zahlen. Die Bezahlung höherer Verrechnungssätze und Löhne könnte, vor allem wenn es sich bundesweit durchsetzt, zu einer positiven Spirale führen, die die Konjunktur belebt und auch dem Sicherheitsgewerbe zu mehr Ansehen als systemrelevante Dienstleistung verleiht. Ich bin davon überzeugt, dass eine höhere Vergütung bei den Mitarbeitern zu einer höheren Motivation führen und langfristig auch die Servicequalität verbessern würde. Insbesondere in militärischen Objekten ist eine hohe Qualität in Sicherheitsfragen essentiell. Zusätzlich wäre dies eine Wertschätzung gegenüber den Sicherheitsmitarbeitern und ihrer wichtigen Arbeit in öffentlichen Bereichen.

Bernd M. Schäfer

Geschäftsführender Gesellschafter der Atlas Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienst GmbH
Persönliche Bußgelder für Entscheider
Es liegt leider in der Natur der Sache, dass oft in Bereichen, in denen es Zugangsbeschränkungen gibt, hohe Preise das Ergebnis sind. Die jährlichen Berichte des Bundesrechnungshofs liefern vielfältige Belege für fachliche Inkompetenz der politischen Entscheider und Beispiele für Misswirtschaft infolge von Marktzugangsbeschränkungen, insbesondere bei Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr. Das Kuriose: Das trifft auf die Bezahlung der Bewachungsunternehmen in militärischen Liegenschaften nicht zu. Hier lässt sich die Branche genauso knebeln wie bei anderen Aufträgen auch. Die Frage bleibt dennoch, wie man für das Sicherheitsgewerbe eine finanziell auskömmliche Situation hier und auf anderen Tätigkeitsfeldern sicherstellen kann. Eigentlich ist es ganz einfach: den Tarifdschungel roden. Es dürfte nur noch einen Tarif geben, der für ganz Deutschland gilt und in dem es keine Ausnahmen und Sonderregelungen gibt. Will man diesen Weg beschreiten, muss man den aktuellen Arbeitnehmern durch Übergangsfristen Bestandsschutz gewähren, aber nach 10 bis 15 Jahren ist dieses Thema dann gelöst. Aktuell ist es so, dass derjenige Unternehmer, der alles richtig machen will, Fehler machen kann, und dass derjenige Unternehmer, der betrügen will, die vorhandenen Tarife wissentlich und mit betrügerischer Absicht zu seinen Gunsten auslegen kann. Der öffentliche Auftraggeber schaut oft weg, auch wenn es offensichtlich ist, dass betrogen wird. Die Androhung von persönlichen Bußgeldern gegen die Entscheider kann hier zu mehr Betroffenheit führen, die oft fehlt, wenn fremdes Geld ausgegeben wird.

Michael Wronker

Vizepräsident des BVMS e.V.
Die Branche muss gemeinsam Lösungen finden
Die Würdigungen zum Jubiläum „100 Jahre private Bewachung militärischer Dienstleistungen“ klangen in der Tat nach Friede, Freude, Eierkuchen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Ausschreibungskriterium ist und bleibt weitgehend der niedrigste Preis, basta. Und damit sind wir wieder beim schon so oft diskutierten Imageproblem des privaten Sicherheitsgewerbes und der fehlenden Bereitschaft vieler Auftraggeber, vor allem der öffentlichen Hand, angemessene Preise für die vielfältigen Dienstleistungen zu zahlen. Die Außenwirkung diverser Firmen lässt daran zweifeln, ob es überhaupt einen Mehrwert gibt. Die großen Marktbegleiter – und viele kleine und mittelständische Firmen – haben inzwischen verstanden, dass ein gepflegtes Auftreten eine Menge wert ist. Auch halten sie die gesetzlichen Vorgaben ein – auch keine Selbstverständlichkeit in unserer Branche. Wenn dann die Mitarbeiter auch noch einen qualifizierten Eindruck machen, hilft das der Branche weiter. Leider gibt es aber auch sehr häufig das genaue Gegenteil, etwa Mitarbeiter in Jogginghosen und unter Dauerbearbeitung ihrer Smartphones, wohlgemerkt im Dienst. Dazu zählen auch die „Wachgaragen“, die vom Vater über die Mutter auf den Sohn übergegangen sind, weil es Probleme mit Sozialversicherung und Finanzamt gibt. Und bei denen Arbeitszeitregelungen nicht eingehalten werden. Wie also dem entgegenwirken – ganz unabhängig von den militärischen Liegenschaften? Die Branche muss gemeinsam Lösungen finden. Es bedarf neuer Zugangsvoraussetzungen des Gesetzgebers und Änderungen im Vergaberecht. Auch die Verbände müssen am Image arbeiten, vielleicht gar mit einer Imagekampagne. So lange der Preis das wichtigste Vergabekriterium ist, wird es keine angemessenen Stundenverrechnungssätze geben.

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