Ein Mann vor einer gelben Wand mit einer Cap auf dem Kopf und einer Jacke mit dem Aufdruck Security

Subunternehmer im Sicherheitsgewerbe

Zum Auftakt der vierundvierzigsten Runde stellen wir die Frage: „Ohne Subunternehmer läuft im Sicherheitsgewerbe nur wenig. Wie bewerten Sie die Lage? Und was müsste sich ändern, um die Branche von diesem Weg abzubringen?“

Im Interview mit:


Eine kurze Einleitung:

Wer eine Coca-Cola kauft, will keine Pepsi trinken – und umgekehrt. Seltsamerweise ist das im Sicherheitsgewerbe ganz anders. Wer Sicherheitsdienstleister A. beauftragt, bekommt sehr oft auch, zumindest oft, Sicherheitsdienstleister B. und C. Ohne Sub- und Subsub- und Subsubsubunternehmen läuft hier nur wenig. Eine höchst fragwürdige Praxis, auch weil sie die Risiken erhöht, etwa derart wie kürzlich beim Gabalier-Konzert in München: Mehrere Ordnungskräfte des Subs des Hauptauftragnehmers wurden unter dem Verdacht des Rauschgifthandels festgenommen. Auch wenn das natürlich auch mit den eigenen Leuten passieren kann, so hat man die Subs halt noch weniger im Griff. Die Subunternehmer-Praxis beklagen viele, aber die speziellen Gegebenheiten der Branche lassen oftmals keine andere Lösung zu. Wie bewerten Sie die Lage? Und was müsste sich ändern, um die Branche von diesem Weg abzubringen?

Dirk Dernbach

Geschäftsführer der SECURITAS Sport & Event GmbH & Co. KG
Sorgsam prüfen – it’s the real thing!
…und wenn es keine Pepsi oder Coke mehr gibt, nimmt man auch schon mal Fritz-, Sinalco-, Afri- oder eine sonstige Cola, soll es auf der Party denn ein Cola-Mixgetränk geben. Zugegebenermaßen habe ich noch nie gesehen, dass das Getränk einer der beiden Marktführer nicht verfügbar war, was schon den gravierenden Unterschied zu unserer und auch vielen anderen Branchen rund um die Personaldienstleistung macht. Seit geraumer Zeit fehlt uns in vielen Teilbereichen Personal, was sich durch Corona noch verschlimmert hat. Und wenn die nächste Frage in dieser Fragerunde lautet „Wo sind die denn alle hin?“, dann bin ich auf die Antworten gespannt. Ich jedenfalls habe keine, die die Situation realistisch erläutert. So werden wir auch weiterhin auf Subunternehmer zurückgreifen, allein schon um unsere vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Und warum sehen wir die Subunternehmer immer negativ? Auch für mich sind Subunternehmer im Einsatz, die eine Qualität liefern, die nicht nur akzeptabel, sondern teilweise überdurchschnittlich gut ist. Es kommt eher auf die Auswahl an. Es heißt nicht umsonst „Drum prüfe …“. Sonst kann es auch schnell passieren – wie einem Mitbewerber von uns –, der für eine Event-Absicherung einen Sub engagierte, der zwei Wochen vor der Veranstaltung absagte, „obwohl“ sich Zoll und Ordnungsamt angekündigt hatten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Somit sind wir als Sub dort eingesprungen. Die Quintessenz ist also: Man muss oder sollte zumindest sorgsam prüfen, mit wem man eine Kooperation eingeht. Sind Quantität und Qualität vorhanden, und passt auch sonst alles? Denn dass wir in absehbarer Zeit nicht mehr auf Kooperationspartner angewiesen sind, das sehe ich nicht. Oder wie eine bekannte Cola-Werbung meint: „It‘s the real thing!“

Peter Haller

Geschäftsführender Gesellschafter der All Service Sicherheitsdienste GmbH
Transparenz gegenüber dem Auftraggeber ist zwingende Voraussetzung
Grundsätzlich setzt All Service Subunternehmer in drei Bereichen ein: 1. Alarm- und Revierdienste: Größere Service- und Notrufleitstellen bieten ihren Kunden bundesweite Alarmverfolgungen an. Auch die größeren Unternehmen können nicht flächendeckend alle Kunden bedienen. Hier macht es Sinn, sich Subunternehmer zu bedienen. Gerade im ländlichen Bereich ist meist nur ein „Platzhirsch“ vorhanden. 2. Spezifizierung und Aufgabenteilung: Es gibt Aufträge, die eine hohe Spezifizierung erfordern. Hier macht es Sinn, Subunternehmerschaften, besser: Partnerschaften, zu bilden. All Sevice macht dies erfolgreich seit sechs Jahren am Flughafen Berlin, wo wir Subunternehmer eines größeren Sicherheits-Dienstleisters sind. Dies wurde dem Auftraggeber vor Auftragsbeginn im Rahmen der Ausschreibung bekannt gegeben. 3. Lohnverbilligende Subunternehmer: Wenn Auftragnehmer zu billig kalkuliert haben und dies mit eigenen Mitarbeitern dann nicht abwickeln können, werden Subunternehmer eingesetzt, um die Margen zu „retten“. Für mich stellt sich dabei die Frage: Wieso kann ein Sub billiger sein? All Service Sicherheitsdienste hat seit Jahren einen Prozess, wie wir mit Subunternehmern umgehen. Insbesondere wenn sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen, prüfen wir das Unternehmen. Ohne alle notwendigen Dokumente erhält der Sub keinen Vertrag. Diese Dokumente sind regelmäßig vorzulegen. Die Subunternehmer werden in einem festgelegten Rahmen durch Auditteams überwacht. Sollten hier Unregelmäßigkeiten entdeckt werden, werden sofort die Konsequenzen gezogen. Fazit: Es gibt gute Gründe, Subunternehmer einzusetzen. Hierbei ist die Transparenz gegenüber dem Auftraggeber wichtig. Die Kontrolle und Überwachung des Subunternehmens muss der Hauptunternehmer übernehmen. Der Imageschaden oder wirtschaftliche Konsequenzen sind bei mangelnder Überwachung nicht mehr kalkulierbar.

Andreas Rech

Fachgruppe Besondere Dienstleistungen bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Generalunternehmerhaftung als Teil des neuen Sicherheitsgewerbegesetzes
Vorfälle wie beim Andreas-Gabalier-Konzert in München sind leider keine Seltenheit. IS-Anhänger als Sicherheitsmitarbeiter in Fußballstadien, Schwarzarbeit in Flüchtlingsunterkünften oder Tarifvertragsbruch bei der Durchsetzung von Coronamaßnahmen sind weitere negative Beispiele, die in den letzten Jahren immer wieder in die Medien gelangt sind. Und fast immer spielt dabei der intransparente Umgang mit Subunternehmen eine Rolle. Dabei ist uns natürlich bewusst, dass kein Unternehmen genug Personal vorhalten kann, um Großveranstaltungen komplett mit eigenen Kräften stemmen zu können. Wenn dann dabei aber Subunternehmer mit niedrigsten Verrechnungssätzen eingesetzt werden, ist natürlich auch klar, dass am Ende bei den Beschäftigten oft kein Tariflohn mehr ankommt. Wenn wir das sogar bis in den dritten und vierten Markt verfolgen, dann ist in der Regel nicht mehr nachvollziehbar, wer denn da überhaupt im Einsatz ist. Wir erleben, dass oft der Kunde gar nicht über den Einsatz von Subunternehmen informiert wird, und selbst Gerichte sind manchmal nicht in der Lage festzustellen, für welchen Arbeitgeber die Beschäftigten vor Ort tätig sind. Auch das Bewacherregister stößt hier an seine Grenzen. Das kann nicht im Sinne einer seriösen Dienstleistung sein. Es geht aber nicht nur um Großveranstaltungen, sondern generell um die Praxis, sich um Aufträge zu bewerben, wenn schon bei der Vergabe klar ist, dass gar kein eigenes Personal zur Verfügung steht. Händeringend werden nun schnell Leute gesucht. So laufen wir dann Gefahr, dass auch Personal herangezogen wird, das möglicherweise nicht den Anforderungen an Zuverlässigkeit oder Qualifikation genügt. Wenn wir also ohne Subunternehmer nicht auskommen, muss der Einsatz dringend reguliert und kontrolliert werden. Dazu muss man das Rad nicht neu erfinden. Eine Generalunternehmerhaftung als Teil des neuen Sicherheitsgewerbegesetzes ist eine Möglichkeit, den missbräuchlichen Umgang mit Subunternehmen einzudämmen.

Bernd M. Schäfer

Geschäftsführender Gesellschafter der Atlas Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienst GmbH
Stark ausgeprägte Neigung zur Rechenstörung
Als Branchenbegleiter stelle ich immer wieder erstaunliche Parameter fest, wenn ich mir die technischen Daten von Unternehmen ansehe. Da gibt es Sicherheits-Dienstleister, die haben zehn Mitarbeiter, aber einen Umsatz von 2.000.000 Euro. Andere wiederum haben 250 Mitarbeiter, aber nur 200.000 Euro Lohn- und Gehaltssumme pro Jahr. Offensichtlich wird auch bei den Verrechnungssätzen kreativ gedacht, woraus sich erhebliche Differenzen bei der Angebotsabgabe ergeben. All dies ist möglich, weil es immer irgendeine „Muckibude“ gibt, die es einfach billiger kann. Grundsätzlich kann niemand gegen den Einsatz von Subunternehmern sein, da manche Aufträge nur so erfüllt werden können. Fragwürdig wird es jedoch, wenn Subunternehmer nur deshalb eingesetzt werden, weil sie billiger als das beauftragte Unternehmen anbieten und die daraus erzielte Differenz bei nur geringem Verwaltungsaufwand zu bequemen Einnahmen beim Hauptauftragnehmer führen. Zur Bekämpfung dieser Praxis sollte im Dienstleistungsvertrag bei Auftragsvergabe festgeschrieben werden, dass Subunternehmer mindestens denselben Verrechnungssatz erhalten müssen wie der Hauptauftragnehmer vom Auftraggeber. Der Effekt wäre dann, dass sich jeder nur um Aufträge bemühen kann, die er selbst übernehmen kann oder zum Beispiel bei deutschlandweiten Aufträgen höher kalkulieren muss, damit er seine Regiekosten einspielt. Die entscheidende Frage ist jedoch, weshalb Subunternehmer billiger als die beauftragenden Sicherheitsunternehmen anbieten können. Es mag hierfür bei dem einen oder anderen Inhaber eine stark ausgeprägte Neigung zur Dyskalkulie eine Rolle spielen. Gemeinsamer Faktor ist jedoch, dass gespart wird, wo es geht. Gespart wird vor allem auch bei der Bewachungshaftpflichtversicherung. Es wird der niedrigste Standard gewählt, der oft nur gerade den gesetzlichen Mindeststandard erfüllt. Regelmäßig ist der Knackpunkt der Versicherungsschutz für strafbare Handlungen der Mitarbeiter (Brandstiftung, Diebstahl und Telefonmissbrauch), wofür kein Versicherungsschutz besteht, was man aber oft nicht erkennen kann. Überlastete Ordnungsämter akzeptieren nahezu jede Versicherungsbestätigung, weil viele der dort eingesetzten Mitarbeiter in diesem Bereich nicht genau wissen, was sie tun. Lösungsansätze sind hier ein ausreichender Versicherungsstandard, der hoffentlich über das kommende Sicherheitsdienstleistungsgesetz erreicht werden wird, und eine einheitliche Bestätigung, die der Gesetzgeber vorgibt und die Versicherer nur unterzeichnen, nicht aber ändern dürfen.

Michael Wronker

Vizepräsident des BVMS e.V.
Auch ein MezzoMix kann schmecken
Subunternehmerschaft, dass leidige Thema der Branche. Eines gleich vorab: Ich habe auch keine Patentlösung für das Problem. Wobei man ja auch nicht immer von Problemen reden kann. Ich habe in meiner Karriere durchaus Subunternehmer beauftragt, die auch unseren hohen Ansprüchen gerecht wurden. Allerdings waren das teilweise anstrengende Wege, bis man die richtigen Unternehmen gefunden hat. Wir hatten immer ganz klare Vorgaben, die von den Subunternehmen einzuhalten waren. Das hat wahrscheinlich Einiges erleichtert. Natürlich war es auch immer mal wieder nötig, den einen oder anderen Mitarbeiter von Subunternehmern nach Hause zu schicken, weil Vorgaben nicht eingehalten wurden. Aber das hat wohl jeder schon einmal erlebt. Schauen wir kurz auf die Probleme der Branche: Subunternehmen werden hauptsächlich für Veranstaltungen gebucht. Das war bereits vor Corona so. Kein Unternehmen kann die benötigte Anzahl an Mitarbeitern für Veranstaltungen fest einstellen, die zu über 90 Prozent nur am Wochenende stattfinden. Dementsprechend wird es keine Lösung geben, die uns auf Subunternehmen verzichten lässt. Das Problem hat sich durch Corona noch verstärkt, weil noch lange nicht wieder alle Veranstaltungen am Markt sind. Wobei das ja aus Branchensicht eher positiv ist, weil die Branche selbst mit Subunternehmen schon an der Belastungsgrenze ist. Weitere Veranstaltungen sind kaum zu bewältigen, da sich die ehemaligen Mitarbeiter während der Corona-Krise anderweitig Jobs besorgt haben. Selbst wenn man mit Hilfe der Subunternehmer genug Mitarbeiter stellen könnte, wären dies zu großen Teilen immer noch solche, die kaum Erfahrungen mit Veranstaltungen haben. Also eine ganze Menge Probleme, die meines Erachtens nicht so einfach zu lösen sind. Um also auf den Eingangsbeitrag zurückzukommen: Es wird nie ganz Coca-Cola oder ganz Pepsi werden, mit den richtigen Maßnahmen kann man aber durchaus ein MezzoMix daraus machen. Auch das kann schmecken.

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