Grauer Hintergrund mit der Aufschrift Gewalt.

Gewalt in der Sicherheitsbranche

Zum Auftakt der vierten Runde stellen wir die Frage „Wie müssen Arbeitgeber reagieren, um ihre Wachleute besser vor Gewalt zu schützen?“

Im Interview mit:

  • Klaus Bouillon · Präsident des BVMS e.V.,
  • Peter Haller · Geschäftsführender Gesellschafter der All Service Sicherheitsdienste GmbH,
  • Michael Metz · Stellvertretender Objektleiter und Ausbilder bei der Frankfurter Niederlassung der Klüh Security GmbH,
  • Bernd M. Schäfer · Geschäftsführender Gesellschafter der Atlas Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienst GmbH,
  • Dirk Dernbach · Geschäftsführer der SECURITAS Sport & Event GmbH & Co. KG


Eine kurze Einleitung:

Gewalt in der Sicherheitsbranche – kein Einzelfall
Anfang Juli wurde ein Luftsicherheitsassistent am Düsseldorfer Flughafen schwer verletzt. Ihm rammte ein mutmaßlich psychisch gestörter Mann ein Messer in den Kopf.
In Flüchtlingseinrichtungen kommt es immer wieder zu Angriffen auf das Sicherheitspersonal.
Und im vergangenen April wurde ein Wachmann auf einem Parkplatz von einem Autofahrer mit Pfefferspray angegriffen, weil der Täter nicht akzeptieren wollte, dass der Platz gesperrt ist.
Auch wenn aggressives Verhalten des Gegenübers zum Sicherheitsrisiko dieses Berufs gehört und sich nie ganz ausschließen lässt, beklagte der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) jüngst, dass „Konfrontationsunfälle“ in der Sicherheitsbranche seit einigen Jahren zunehmen.

In unserer heutigen Frage in die Runde fragen wir unsere Experten: „Wie müssen Arbeitgeber reagieren, um ihre Wachleute besser vor Gewalt zu schützen?“

Klaus Bouillon

Ehemaliger Präsident des BVMS e.V.
Der Umgang mit Menschen will erlernt sein
Zu den meisten so genannten Konfrontationsunfällen kommt es im Bereich der Flüchtlingsunterkünfte. Die öffentliche Hand trägt hier die Hauptverantwortung. Bei Vorkommnissen werden zwar sofortige Verbesserungen gelobt, jedoch nicht gelebt. Solange der Preis das 100-prozentige Zuschlagskriterium ist und nicht die Einhaltung der selbst gefassten Ziele, wird es immer den „billigen Jakob“ geben, der keine Qualitätsarbeit liefern kann. Wichtig ist die Aus- und Fortbildung der eingesetzten Sicherheitsmitarbeiter. Diese müssen unabdingbar eine Aus- und/oder Fortbildung im Bereich „Umgang mit Menschen“ erfahren. Das diese Fortbildung Geld kostet, das bei Angeboten eingerechnet werden muss, sollte die erste Erkenntnis der öffentlichen Hand sein. Man kann sehr gut aus Statistiken ersehen, dass gut ausgebildete Mitarbeiter weniger „Konfrontationsunfälle“ haben.

Dirk Dernbach

Geschäftsführer der SECURITAS Sport & Event GmbH & Co. KG
Bei gefährdeten Objekten keine Einzelpersonen einsetzen
Politisch korrekt sollte ich jetzt antworten, dass wir unsere Leute in deeskalierendem Verhalten schulen, sie für besondere Gefahrensituationen sensibilisieren und so weiter und so fort. Aber kann man sich davor schützen, dass ein psychisch gestörter Mensch durchdreht? Schaffner werden bedroht, Rettungssanitätern wird ihre Tätigkeit erschwert, Feuerwehrfahrzeuge werden mit Steinen beworfen, Polizeibeamte werden geschlagen und bespuckt… Das ist also nicht nur ein Thema der Sicherheitsbranche, sondern generell ein gesellschaftliches Problem. Was bleibt, sind kleine Schritte, die unvorhersehbare Gefahr irgendwie zu minimieren. Wir haben bereits vor einiger Zeit damit begonnen, unsere Kunden davon zu überzeugen, dass wir bei potenziell gefährdeten oder einsam gelegenen Objekten keine Einzelperson mehr einsetzen. Das ist zwar nur eine Präventivmaßnahme – aber wer geht schon gerne nachts alleine über eine unbeleuchtete Großbaustelle? Andererseits – da wir stark in die Absicherung von Fußballveranstaltungen involviert sind, weiß ich, dass es kaum ein Wochenende gibt, bei dem alle meine Mitarbeiter ohne Blessuren nach Hause fahren. Ein Risiko wird es immer geben.

Peter Haller

Geschäftsführender Gesellschafter der All Service Sicherheitsdienste GmbH
Killerphrasen vermeiden
Die All Service Sicherheitsdienste GmbH passt die bestehenden praxisnahen Ausbildungsinhalte durch die Auswertung aktueller Vorkommnisse, der polizeilichen Pressemeldungen sowie der Erfahrungen der Mitarbeiter und der Dozenten den sich verändernden Herausforderungen an, zumal die Anforderungen der Justiz, der Kunden und der Politik auch immer höher werden. Unter der Überschrift „Eigensicherung“ vermitteln wir fächerübergreifend Basiswissen in Rechtskunde und Taktik – hier auch Kommunikation und Deeskalation. Unsere Mitarbeiter sollen durch interkulturelle Kompetenz und deeskalierendes Verhalten – insbesondere durch die positive Handlungssprache und Vermeidung von Killerphrasen – Konfliktsituationen vermeiden. Andererseits sollen sie mit dem Sicherheitstraining lageangepasstes Verhalten lernen, wenn sich Situationen nicht deeskalieren lassen. Das Einschreiten muss – gerade im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel (Übermaßverbot) – einer gerichtlichen Überprüfung standhalten.

Michael Metz

Niederlassungsleiter Rhein-Main & Niederlassung Süd bei Apleona Security Services
Selbstsicherheit durch Aus- und Weiterbildung
Es wird in jeder Sicherheitsausbildung vermittelt, dass es keine 100-prozentige Sicherheit gibt. Verhindern kann man diese Vorfälle nicht, und so bleibt es leider nicht aus, dass psychisch labile Menschen aus unerklärlichen Gründen unsere Kollegen aus dem Nichts attackieren. Man kann als Arbeitgeber den Mitarbeitern unterstützend zur Seite stehen, indem man ihn durch Aus- und Weiterbildung Selbstsicherheit gibt. Alle Sicherheitsmitarbeiter müssen nicht nur während des Dienstes für die Beobachtung des Umfelds sensibilisiert werden, zusätzlich auch im Rahmen der dienstfreien Zeit, da sie durch ihre Bekleidung als Sicherheitsleute wahrnehmbar sind. So bietet man das Handwerkzeug der Verteidigungsgrundlagen sowie der verbalen Verteidigung (Erlernen verschiedener Kommunikationsstile und Umgang mit schwierigen Gesprächspartnern). Meist reichen einfache angelernte Gesprächstaktiken aus, um dem Gegenüber ein anderes Gefühl zu vermitteln. Hinzu kommen muss ein fundiertes rechtliches Verständnis, um diese Sondersituationen selbstbewusst bewältigen zu können. Zusätzlich muss es beispielsweise technische oder organisatorische Maßnahmen für Sondersituationen geben (Funkgeräte, Mobiltelefone, Unterstützungskräfte, Alarmpläne).

Bernd M. Schäfer

Geschäftsführender Gesellschafter der Atlas Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienst GmbH
Öffentliche Auftraggeber zwingen, mit gutem Beispiel voranzugehen
Ein schwieriges Thema! Mit großer Sorge lese ich immer wieder diese Meldungen, denn die Anzahl und die Intensität der Übergriffe nehmen zu. Auch sinkt die Hemmschwelle gegenüber Sanitätern und Feuerwehrleuten, die sich ebenso mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit für die Allgemeinheit einsetzen. Einfach wäre es nun, zu verlangen, dass die Mitarbeiter besser geschult werden müssen. Deeskalationstrainings sind sinnvoll, Selbstverteidigungskurse schaffen Sicherheit, körperliche Präsenz und Selbstvertrauen. Zudem können stichsichere Westen auch physische Sicherheit schaffen. All das sind allerdings nur Plattitüden, wenn es den Auftraggebern im Wesentlichen darum geht, Geld zu sparen. Dann ist das Ausschreibungskriterium wiederum zu 100 Prozent der billigste Preis, und der eingesetzte Dienstleister hat keinen Spielraum, seine Mitarbeiter besser zu schützen, weil er schlicht von seinem Auftraggeber nicht dafür bezahlt wird. Gerade die öffentlichen Auftraggeber sollten dazu gezwungen werden, mit gutem Beispiel voranzugehen.

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