Ein grünes Bild mit der Aufschrift Wunschazubi

„Wunsch-Azubi“ des Sicherheitsgewerbes

Zum Auftakt der vierzehnten Runde stellen wir die Frage “Wie sieht eigentlich der „Wunschazubi“ des Sicherheitsgewerbes aus?“

Im Interview mit:

  • Dr. Harald Olschok · Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft e.V. (BDSW) und der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW),
  • Isabelle Dichmann · Leiterin des Trainingszentrums der WISAG Sicherheit & Service Trainings GmbH,
  • Dirk Faßbender · Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG,
  • Ralf Philipp · Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD – Sicherheit und Dienstleistungen GbmH & Co. KG,
  • Julia Al Fawal · Geschäftsführerin der ToSa Security & Service GmbH & Co.KG,
  • Stefan Wegerhoff · Geschäftsführender Gesellschafter der SAW – Bildungszentrum NRW GmbH


Eine kurze Einleitung:

Zum Ende des Sommers veröffentlichen die großen Firmen des Sicherheitsgewerbes traditionsgemäß ihre Standard-Pressemitteilungen, in denen sie sich über ihre neuen Auszubildenden freuen. Außer der Zahl der Azubis und dem gewohnten Hinweis darauf, dass es noch offene Ausbildungsplätze gibt, enthalten die Meldungen leider wenig Informatives – eine der vielen verpassten Gelegenheiten, über die Attraktivität des Sicherheitsberufs aufzuklären. Und wenn man weitere Ausbildungsplätze besetzen möchte, wären ein paar motivierende Hinweise, beispielsweise zum Anforderungsprofil und zu konkreten Karrieremöglichkeiten, vielleicht auch nicht verkehrt. Gerne unterstützt der „Marktplatz Sicherheit“ dabei, das nachzuholen, und fragt daher: Wie sieht eigentlich der „Wunschazubi“ des Sicherheitsgewerbes aus? Können sich die Unternehmen überhaupt leisten, wählerisch zu sein, oder nehmen sie, wen sie kriegen können? Und da Sicherheitskraft unter jungen Leuten nach wie vor nicht als „Traumjob“ gilt: Welche Motivation für ihre Berufswahl geben die Bewerber um einen Ausbildungsplatz an?

Dirk Dernbach

Geschäftsführer der SECURITAS Sport & Event GmbH & Co. KG
Persönliche Neigungen und Ziele müssen zum Berufsbild passen
Die Ausbildung steht Absolventen aller Schulzweige mit Abschluss offen. Eine Affinität zu modernen Kommunikationsmitteln und -medien wird genauso vorausgesetzt wie technisches Verständnis, Durchsetzungsvermögen und Zielstrebigkeit. Da die Ausbildung auch Nacht- und Schichtarbeit umfasst und gegebenenfalls bei mobilen Diensten erfolgt, ist der Führerschein zwingend notwendig – und damit Volljährigkeit. Körperliche Fitness und ein gepflegtes Erscheinungsbild sollten ebenfalls vorhanden sein. Sicherlich werden nicht immer alle offenen Ausbildungsplätze besetzt, dennoch nehmen wir nicht jeden Bewerber, beispielsweise wenn persönliche Neigungen oder Ziele nicht mit dem Berufsbild zusammenpassen. Als Ausbildungsbetrieb unternehmen wir viel, um die Berufsbilder in der Sicherheitswirtschaft bekannter zu machen. Das beginnt bei berufskundlichen Vortragsveranstaltungen in fortführenden Schulen, geht über Schnupperpraktika, Einladung ganzer Schulklassen zum Kennenlernen unserer Ausbildungsbetriebe, Patenschaften mit Schulen und regelmäßige Teilnahme an Ausbildungsplatz-Börsen und schließt mit einem Programm zur Nachwuchsförderung durch duale Studiengänge in BWL oder Sicherheits-Management ab. Zur Motivation: In den Erstgesprächen können wir regelmäßig mit unserem Programm zur Ausbildungsförderung punkten. Dies beinhaltet innerbetriebliche Schulungen – etwa MS-Office, Telefontraining, Business-Knigge, Rhetorik und Kommunikation – und geht über das Kennenlernen weiterer Dienstleistungssparten bis hin zu Auslandspraktika. Spezielle Workshops und themenbezogene Azubi-Projekte runden unser Angebot ab. Dass wir nicht über den eigenen Bedarf hinaus ausbilden und den Auszubildenden nach erfolgreichem Berufsabschluss ein festes Arbeitsverhältnis anbieten, sind weitere Anreize, um sich auf einen Ausbildungsplatz bei uns zu bewerben.

Isabelle Dichmann

Leiterin des Trainingszentrums der WISAG Sicherheit & Service Trainings GmbH
Feingefühl für Zwischenmenschliches
Neben den so häufig genannten Kompetenzen sollte der Wunsch-Azubi für unser Gewerbe vor allem den Umgang mit Menschen lieben. Dafür benötigt er unbedingt ein Feingefühl für „Zwischenmenschliches“. Azubis in der Sicherheitswirtschaft sollten konfliktfähig sein, sprich: In Auseinandersetzungen mit Kunden, Besuchern und Kollegen müssen Konflikte in diplomatischer Weise geklärt werden können. Hierzu ist es vor allem wichtig, dass die Azubis kritikfähig sind und Kritik von anderen nicht als Angriff gegen ihre eigene Person wahrnehmen. Damit Konflikte in dieser Form bewältigt werden können, ist ein gesundes Selbstbewusstsein unabdingbar. Nur mir diesem (Selbst-)Bewusstsein ist ein ordentlicher Umgang mit Konflikten und Kritik möglich. Daraus ergibt sich auch ein souveränes Auftreten sowie die nötige Selbstsicherheit, auf fremde Menschen zugehen zu können. Trotz des vorherrschenden Fachkräftemangels sollten Unternehmen auf Ausbildungsverhältnisse verzichten, wenn die „Passung“ nicht vorliegt. Wird dies missachtet und Unternehmen stellen ein, „was sie bekommen können“, dann muss man sich über hohe Abbruchquoten, schlechte Schulleistungen und eine geringe Arbeitsmoral nicht wundern. Die meisten unserer Bewerber und Azubis schätzen die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten in ihrer Ausbildung sehr. So sind die Ausbildung und letzten Endes auch die künftige Beschäftigung in der Sicherheit immer sehr abwechslungsreich; Langweile kommt selten auf. Zudem schätzen viele die Bewegung bei der Arbeit. Für die meisten unserer Bewerber ist ein Job im Büro unvorstellbar. Neben diesen Punkten finden es viele Jugendliche sehr spannend, hinter die Kulissen von großen Konzernen, Veranstaltungen oder Werksgeländen blicken zu können. Die Zukunftsperspektiven und sicheren Beschäftigungsverhältnisse sind zudem weitere attraktive Eigenschaften der Sicherheitsbranche.

Julia Al Fawal

Geschäftsführerin der ToSa Security & Service GmbH & Co.KG
Lieber kein Azubi als einer mit unpassender Arbeitseinstellung
„Lernen ist Erfahrung. Alles andere ist nur Information“, wusste schon Albert Einstein. Dieser Gedanke trifft auf die Ausbildungsjahre sehr gut zu, und darin lässt sich auch unsere Anforderung an einen Auszubildenden wiederfinden: die Bereitschaft, etwas zu leisten und zu lernen, auch Arbeitsbereitschaft genannt, und vor allem Motivation und Interesse am gewählten Beruf. Wir können einem „Azubi“ alles beibringen, er benötigt keine relevanten Vorkenntnisse, und auch die Schulnoten spielen nur eine untergeordnete Rolle. Aber er muss uns zeigen, dass er bereit ist, sich zwei oder drei Jahre, je nach Ausbildungsberuf, dieser Ausbildung zu widmen. Bei uns muss jeder potenzielle künftige Auszubildende ein zweiwöchiges Praktikum absolvieren, damit wir die Arbeitsbereitschaft und Motivation besser einschätzen können. Von der Anzahl der danach verbleibenden geeigneten Auszubildenden machen wir auch abhängig, wie viele Auszubildende wir einstellen. Im „worst case“ nehmen wir lieber in einem Jahr gar keinen Auszubildenden als einen, bei dem man schon vorher weiß, dass der Ausbilder mehr damit beschäftigt sein würde, an der Arbeitseinstellung zu arbeiten als Ausbildungsinhalte zu vermitteln. Es ist richtig, dass die Ausbildungsberufe in der Sicherheit nicht als Traumjobs gelten, das begründet sich in den Arbeitszeiten und den Verdienstmöglichkeiten. Zu uns kommen dennoch Bewerber, die gerne einen Beruf erlernen möchten, in dem sie vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten und viel Abwechslung haben. Wir weisen auch immer daraufhin, dass es sehr gute Aufstiegschancen gibt, aber natürlich nur für jene, die auch etwas erreichen wollen – und das auch zeigen.

Dr. Harald Olschok

1992 bis 2022 Hauptgeschäftsführer der BDGW und des BDSW. Heute ist er Mitglied des KÖTTER Sicherheitsbeirats.
Viele Azubis übernehmen schon in jungen Jahren Führungsverantwortung
Angehende Auszubildende müssen auch in schwierigen Situationen Ruhe bewahren und stressresistent sein. Sie müssen sich den besonderen Bedingungen der Arbeit im Sicherheitsgewerbe bewusst sein. Dazu gehört die Schichtarbeit in der Nacht, an Sonn- und Feiertagen. Das Gewerberecht erforderte ein besonders hohes Maß an Zuverlässigkeit. Besonders wichtig ist auch eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit. Diese ist nicht nur wichtig, um Konflikte deeskalierend begleiten zu können. Viele Auszubildende übernehmen bereits in jungen Jahren Führungsverantwortung. Wir haben – mindestens – eine Zweiteilung der Branche. Billiganbieter beschäftigen häufig mehr Auszubildende als Sicherheitsmitarbeiter und beuten die jungen Menschen aus. Diese besonders „schwarzen Schafe“ nehmen sicher jeden, den sie kriegen können. Sie schädigen das Image der gesamten Branche nachhaltig. Dann haben wir die serösen Unternehmen. Diese sind in der Regel Mitglied des BDSW und bilden nur so viele Azubis aus, wie sie auch adäquat einsetzen können. Es finden umfangreiche Auswahlprozesse statt. Diese reichen von „normalen“ Bewerbungsgesprächen über Informationsveranstaltungen und Praktika bis hin zu regelrechten Assessmentcentern. Die Service- und die Fachkraft sind keine Massenberufe. Seit 2002 haben dennoch über 10.000 junge Menschen ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. In den von uns herausgegebenen Broschüren „111 Tätigkeiten“ und „15 Jahre Ausbildung“ kommen viele ehemalige Azubis zu Wort. Sie verweisen auf vielfältige, abwechslungsreiche und verantwortungsvolle Tätigkeiten, den Umgang mit Menschen und moderner Technik und auch auf die guten Aufstiegsmöglichkeiten in einer modernen und krisensicheren Dienstleistungssparte.

Ralf Philipp

Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD – Sicherheit und Dienstleistungen GbmH & Co. KG
Leistungs- und leidensfähig
Es soll eine Zeit gegeben haben, als man sich Auszubildende noch aus einer Fülle von Bewerbungen aussuchen konnte. Diese Zeiten sind allgemein vorbei. Die Sicherheitswirtschaft muss so viel verschiedene Anforderungen erfüllen, da kann es keinen „perfekten“ Kandidaten geben. Für einen Allrounder kann man neben den klassischen Tugenden leistungs- und leidensfähig erwähnen. Ein hohes Maß an sozialer Kompetenz, abstrakter Vorstellungskraft und – ich nenne es mal: taktische Kreativität gehören genauso dazu wie Eigenmotivation, emotionale Stabilität und ein gefestigter Charakter. Für viele Bewerber stellt der Weg in die private Sicherheit nur die zweite Wahl dar. Nur sehr wenige entscheiden sich primär und ganz bewusst für die Ausbildung zur Fach- oder Servicekraft im Sicherheitsumfeld. Leider sind Auszubildende für viele Unternehmen immer noch billige Arbeitskräfte, die im Arbeitsalltag „verheizt“ werden. Diese Praxis macht die Suche nach jungen Menschen, die an einer Karriere in der Sicherheitswirtschaft interessiert sind, noch schwerer und nagt seit Jahren am Ruf der Ausbildung.

Stefan Wegerhoff

Geschäftsführender Gesellschafter der SAW – Bildungszentrum NRW GmbH
Sicherheitsfirmen sollten wählerisch sein
Der „Wunsch-Azubi“ im Wachgewerbe ist nicht nur an einer einzigen Fähigkeit oder Fertigkeit zu messen, sondern das Gesamtbild sollte stimmen. Das beginnt bei schlüssigen Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Loyalität – die nicht nur fürs Sicherheitsgewerbe gelten – und geht über die ausgedehnte Auffassungs- und Beobachtungsgabe bis hin zur Affinität, Gefahren von Objekten und Personen abzuwenden. Nicht zu vergessen die körperliche Belastbarkeit, die vor allem mit Blick auf den Schichtdienst eine der wichtigsten Azubi-Merkmale sein sollte. Zu guter Letzt spielt die Affinität sowohl zum geltenden Recht als auch zur Sicherheitstechnik und anderen berufsbezogenen Themen, gerade im theoretischen Unterricht, eine große Rolle. Mindestvoraussetzung ist der Hauptschulabschluss oder Vergleichbares. Auch wenn nicht alle Ausbildungsplätze besetzt werden können, sollten Unternehmen wählerisch sein. Eine vernünftige Selektion der Bewerber, vor allem passend für das eigene Unternehmen und die damit verbundenen Tätigkeiten, ist unabdingbar, um einerseits den Ausbildungserfolg zu sichern und andererseits dem Unternehmen nach Ausbildungsabschluss eine bereichernde Arbeitskraft zu liefern. Wenn das Unternehmen ein ausgeprägtes Qualitätsmanagement führt und „vorlebt“, gewöhnt sich der Azubi zügig an die Gepflogenheiten. Leider beachten nur wenige Unternehmen, dass ein Azubi in der Regel eher Geld kostet als einbringt. Will eine Sicherheitsfirma vom Azubi profitieren, bedarf es einer intensiven und guten Ausbildung. Viele Unternehmen schauen aber zu selten über den Tellerrand und sehen Azubis als „Mitläufer“ oder setzen sie sogar vollumfänglich ein. Hier sehe ich dringenden Handlungsbedarf seitens der IHKs. Bewerber geben als Kernmotivation oft die abwechslungsreiche Tätigkeit an, aber auch die Aussicht, Menschen in Notlagen helfen zu können. Dies trifft jedoch nur für spezielle Bereiche im Wachgewerbe zu.

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