Zuständigkeitswechsel

Zum Auftakt der vierundzwanzigsten Runde stellen wir die Frage “Wie werden die Sicherheits-Dienstleister vom Zuständigkeitswechsel vom Bundeswirtschafts- zum Bundesinnenministerium profitieren?“

Im Interview mit:

  • Dr. Harald Olschok · Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft e.V. (BDSW) und der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW),
  • Dirk Faßbender · Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG,
  • Ralf Philipp · Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD – Sicherheit und Dienstleistungen GbmH & Co. KG,
  • Gero Dietrich · Geschäftsführer der Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft e.V. (VSW),
  • Julia Al Fawal · Geschäftsführerin der ToSa Security & Service GmbH & Co.KG,
  • Stefan Wegerhoff · Geschäftsführender Gesellschafter der SAW – Bildungszentrum NRW GmbH


Eine kurze Einleitung:

Die politischen Mühlen mahlen beschwerlich, wenn es um Veränderungen geht, mit denen Politiker sich nicht vor einer breiten Öffentlichkeit selbst auf die Schulter klopfen können. Vor diesem Hintergrund muss man dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) schlichtweg höchsten Respekt für einen sensationellen Erfolg zollen, den er mit großem Engagement und Beharrlichkeit vor und besonders hinter den Kulissen des politischen Betriebs für die ganze Branche erzielt hat: Für das Sicherheitsgewerbe ist seit 1. Juli nicht mehr das Bundeswirtschafts-, sondern das Bundesinnenministerium zuständig – wie inzwischen in jedem EU-Land außer Österreich. Unabhängig vom verdienten Beifall für den Verband: Es sollte schon ein bisschen mehr drin sein als nur die angeblich bessere Wahrnehmung der Branche als relevanter Faktor der bundesrepublikanischen „Sicherheitsarchitektur“. Wie also werden die Sicherheits-Dienstleister ganz praktisch vom Zuständigkeitswechsel profitieren?

Gero Dietrich

ehemaliger Geschäftsführer der Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft e.V. (VSW)
Qualitätssteigerungen sind möglich!
Der Wechsel der ministeriellen Zuständigkeit für das Bewachungsrecht vom BMWi auf das BMI als Konsequenz des Koalitionsvertrags kann für die privaten Sicherheits-Dienstleister durchaus vorteilhaft sein und sich damit positiv auswirken. Der Koalitionsvertrag sieht insoweit bekanntlich vor, dass mit einer „Neuordnung der Regelungen für das private Sicherheitsgewerbe … noch mehr Sicherheit und Verlässlichkeit“ gewährleistet sein soll. Damit stellt sich aber die Frage, wie ein dann zu schaffendes Sicherheitsdienstleistungsgesetz (SDLG) konkret ausgestaltet sein müsste, um dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen. Sämtliche Akteure befürworten eine Verbesserung, einhergehend mit einer Qualitätssteigerung innerhalb der Branche. Dies beginnt mit der entsprechenden Qualifizierung der Mitarbeiter sowie den Voraussetzungen zum Betreiben des Gewerbes und endet damit, wie beispielsweise Dienstleistungsaufträge, insbesondere von öffentlichen Auftraggebern, vergeben werden. Eine Vielzahl weiterer Aspekte sind hierbei außerdem zu beachten. Die Neuordnung in Form eines SDLGs birgt aber auch eine gewisse Komplexität bezüglich der tatsächlichen und ebenso juristischen Fragestellungen, die hiermit einhergehen. Diese Komplexität wird unter anderem bereits deutlich, wenn man den Verzug der Regelungen des Bewachungsrechts in den Bundesländern betrachtet. Womöglich ist auch diese Besonderheit ein Kriterium, das Grund dafür ist, dass in anderen EU-Ländern die Zuordnung nicht beim Wirtschaftsministerium liegt. Es bleibt daher weiterhin abzuwarten, wie ein mögliches SDLG konzipiert wird, um hieraus dann konkret ableiten zu können, welchen praktischen Nutzen private Sicherheits-Dienstleister davon haben werden. Ebenfalls ist abzuwarten, ob der der Wechsel des Bewacherregisters vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auf das Statistische Bundesamt (StBA) zu einer spürbaren Verbesserung führen wird, zumal beide Behörden entschieden haben, dass für die „Übergangsphase eine enge Zusammenarbeit vereinbart“ wird.

Dirk Faßbender

Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG
Erst einmal ändert sich nichts
Nach meiner Ansicht lässt sich diese Frage nicht ohne eine entsprechende Gesetzesgrundlage, beispielsweise das viel zitierte Sicherheitsdienstleistungsgesetz, beantworten. Derzeit gilt trotz des Ressortübergangs die Gewerbeordnung weiter und somit ändert sich für die Sicherheits-Dienstleiter erst einmal nichts. Also kann ich zurzeit keinen pragmatischen Ansatz finden – außer der bereits vielfach zitierten Wahrnehmung der Branche als relevanter Faktor der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland.

Julia Al Fawal

Geschäftsführerin der ToSa Security & Service GmbH & Co.KG
Hoffen wir, dass nun Ruhe einkehrt
Der vollzogene Wechsel des privaten Sicherheitsgewerbes vom Bundeswirtschafts- in den Kompetenzbereich des Bundesinnenministeriums war ein wichtiger Schritt. Nun hoffen wir, dass mit dem geplanten Wechsel des Bewachungsregisters zum gleichen Ressort ebenfalls Ruhe und vor allem Kontinuität in dieses Thema einkehrt. Das sind die größten Hoffnungen, die ich in den Wechsel setze: Kontinuität und Verbindlichkeit. Daran fehlte es in der Vergangenheit oft durch immer neue, teils widersprüchliche gesetzliche Änderungen. Auch eine bessere Abstimmung der Schnittstellen zwischen den privaten und öffentlichen Sicherheitsorganen kann zu einem Profit führen. Dabei bin ich der Ansicht, dass eine bessere interdisziplinäre Zusammenarbeit Vorteile für alle Beteiligten birgt. Das BMI wird, zukunftsweisend betrachtet, hoffentlich auch die richtigen Kontrollmaßnahmen errichten, um die immer wiederkehrenden „schwarzen Schafe“ der Branche schneller ausfindig zu machen und somit das Ansehen der privaten Sicherheitsbranche in der Öffentlichkeit wieder zu verbessern. Abschließend muss man vor allem nochmal die starke Positionierung des BDSW bei diesem Wechsel hervorheben und hoch anerkennen.

Dr. Harald Olschok

1992 bis 2022 Hauptgeschäftsführer der BDGW und des BDSW. Heute ist er Mitglied des KÖTTER Sicherheitsbeirats.
Das Sicherheitsdienstleistungsgesetz muss der nächste Schritt sein
Der BDSW hat alle Parteien vor der Bundestagswahl 2017 aufgefordert, die privaten Sicherheitsdienste auf eine neue rechtliche Grundlage zu stellen. Der erste Schritt ist uns mit der Übertragung der Zuständigkeit auf das Bundesinnenministerium gelungen. Der nächste Schritt muss noch in dieser Legislaturperiode die Verabschiedung eines Sicherheitsdienstleistungsgesetzes sein. Verbindliche Anforderungen an die Leistungsfähigkeit, Organisation, Qualifizierung sowie Ausstattung der privaten Sicherheitsdienste und ihrer Sicherheitskräfte sind für bestimmte Aufgaben zwingend festzulegen. Das sind unter anderem Sicherheits-Dienstleistungen zum Schutz von Objekten Kritischer Infrastrukturen, von Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber, zum Schutz von Veranstaltungen, im Öffentlichen Personenverkehr sowie kommunale Sicherheits- und Ordnungsaufgaben. Die bisherigen Inhalte des Unterrichtungsverfahrens müssen überarbeitet und in eine Basisschulung umgewandelt werden. Das Monopol der IHKs muss beendet werden. Zertifizierte Sicherheits-Fachschulen können diese Aufgabe auch durchführen. Wettbewerb wird zur Qualitätsverbesserung führen. Die Zuverlässigkeitsüberprüfungen für die Beschäftigten müssen vereinheitlicht werden. Bis zu vier unterschiedliche Überprüfungsverfahren sind für ein und denselben Mitarbeiter zur Ausübung nur einer Funktion erforderlich. Überprüfungen dauern viele Wochen oder gar Monate und belasten auch die Behörden. Die umfassendste Überprüfung muss ausreichen. Immer mehr (kleinere) Kommunen setzen private Sicherheitsdienste ein. Minimalbefugnisse wie Feststellung der Personalien und Platzverweise sind für kommunale Ordnungsdienste notwendig. Für betriebseigene Sicherheitskräfte sind dieselben Anforderungen an Qualifikation, Schulung und Weiterbildung zu stellen wie an diejenigen der Sicherheits-Dienstleister. Ansonsten drohen Ausweichreaktionen.

Ralf Philipp

Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD – Sicherheit und Dienstleistungen GbmH & Co. KG
Es ist völlig unklar, ob und was der Zuständigkeitswechsel bringt
Wie wir vom Zuständigkeitswechsel profitieren werden? Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht sicher. Die ersten Reaktionen in den einschlägigen Communitys haben mich etwas erschrocken. „Jetzt gibt‘s hoheitliche Rechte“ oder „Hoffentlich bekommen wir jetzt Waffen“ gehörten zu den verstörendsten Aussagen. Als wären hoheitliche Rechte und eine Pistole die Lösung in der aktuellen „Krise“. Von der Grundeinstellung zur eigenen Tätigkeit sowie den damit verbundenen Rechten und Pflichten ganz zu schweigen. Als Vertreter eines Sicherheits-Unternehmens, das sich im freien Wettbewerb mit anderen Dienstleistern befindet, sehen meine Wünsche anders aus. Als erstes wären da ein fairer und sauberer Wettbewerb sowie ein konsequentes Vorgehen gegen „schwarze Schafe“. Die schaffen es ja interessanterweise immer wieder, mit einem blauen Auge oder völlig unbehelligt davonzukommen, wenn sie gegen Gesetze verstoßen und so weitermachen wie bisher. Wer konsequent Gesetze missachtet, hat auch heute nur bedingt etwas zu befürchten. Ich meine hier nicht den Mitarbeiter mit sauberem Führungszeugnis, der schon vorher zum Einsatz gebracht wird, sondern die fehlende Anmeldung und Arbeitserlaubnis sowie die Missachtung des Arbeitsschutzes und der Arbeitszeitgesetze, die bei uns ja durchaus großzügig ausgelegt werden können, und nicht zuletzt dieses halbgare Vorgehen gegen Schwarzarbeit und die gesetzlichen Schlupflöcher. Möglicherweise erfolgt auch eine zügige Überarbeitung der dafür notwendigen Vorschriften. Oder eine engere freiwillige Zusammenarbeit auch außerhalb der „erzwungenen“ Ordnungspartnerschaften. Mit der Zuverlässigkeit und dem Bewacherregister hätten wir dann noch zwei weitere große Baustellen, auf denen sich etwas deutlich bewegen könnte, um Fehler auszumerzen und Abläufe zu beschleunigen – und vor allem: Regelungen zu vereinheitlichen. Es darf einfach nicht sein, dass jede Ortsbehörde ihre eigene Suppe kocht und schlimmstenfalls Bescheinigungen anderer Behörden der gleichen Stadt einfach nicht anerkennt. Derzeit bleibt da nur der Gang vors Verwaltungsgericht und massives Kopfschütteln. Mein Vorschlag: Eine „Frage in die Runde“ in 12 bis 24 Monaten: „Was hat uns der Wechsel gebracht?“

Stefan Wegerhoff

Geschäftsführender Gesellschafter der SAW – Bildungszentrum NRW GmbH
Eine Chance, das Sicherheitsgewerbe in ein besseres Licht zu rücken
Dem Wechsel der Zuständigkeit der Sicherheitsindustrie sehe ich erwartungsvoll entgegen. Die gravierenden Veränderungen in den letzten Jahren, die es in der Branche gegeben hat, sind schon sehr vielversprechend. Wenngleich auch Einiges komplizierter geworden ist. Das Bundesinnenministerium, das unter anderem für die Innere Sicherheit zuständig ist, bringt der Sicherheitsindustrie sicherlich mehr Erfahrung und „Know-how“ als das Wirtschaftsministerium. Bestes Beispiel ist das „stümperhaft“ erstellte Bewacherregister, das es letztlich vielen Sicherheitsfirmen unmöglich gemacht hat, legal zu arbeiten. Die Branche spricht derzeit über einige Punkte, die in einem Sicherheitsdienstleistungsgesetz aufgegriffen werden könnten, beispielsweise einen behördlich ausgegeben Mitarbeiterausweis, die Neustrukturierung der erforderlichen Qualifikationen, die bessere Ausstattung von Sicherheitsmitarbeitern usw. Viele begrüße ich, außerdem wäre ich für die Begrenzung bei der Ausgabe von Bewachungserlaubnissen und noch genauerer Prüfung durch die regional betroffenen Behörden. Sollte im kommenden Jahr, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, das Sicherheitsdienstleistungsgesetz kommen, sollte es das Bewerberecht mit den §§ 34a, 31 und 11b ablösen und eine neue Grundlage schaffen. Die unüberschaubaren Verordnungen mit mehr als 15 Seiten und insgesamt rund 50 Paragrafen könnten hier hervorragend zusammengefasst werden, wenn eine 100-prozentige Formulierung gefunden wird. Hier könnten juristische Schlupflöcher komplett ausgeschlossen werden. Der BDSW hat bereits einen Entwurf für ein solches Sicherheitsdienstleistungsgesetz verfasst und seinen Mitgliedern vorgestellt. Der Übergang der Zuständigkeit ist eine Chance, die Sicherheitsindustrie dauerhaft in ein besseres Licht zu rücken und die Branche an sich grundsätzlich neu aufzurollen.

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